Stabat mater
Antonin Dvořák
Dvořák umrahmt seine erste groß dimensionierte geistliche Komposition mit zwei ausladenden, symphonisch gestalteten Ecksätzen, die auch thematisch miteinander verwandt sind. Während der Kopfsatz in der verzweifelten Stimmung der Gottesmutter im Angesicht des Gekreuzigten verharrt, verwandelt sich das Finale in eine Apotheose der Siegesgewißheit in strahlendem D-Dur: Der Tod kann überwunden werden.
Für Dvořák stellte diese Komposition auch eine Bewältigung privater Katastrophen dar. Als er 1876 mit der Arbeit begann, war gerade seine Tochter Josefa zwei Tage nach der Geburt gestorben. Als das Werk 1877 vollendet war, hatte er zwei weitere seiner Kinder sterben sehen, die elf Monate alte Ružena an einer Vergiftung, den dreijährigen Otakar an den Pocken.
Zwischen den Eckpfeilern des Werks stehen kürzere Sätze, die wechselnde Perspektiven bieten. Nr. 2 zeigt uns die Menschenmenge, die das Geschehen auf Golgotha mitverfolgt, Nr. 3 ist ein Gebet in Form eines Trauermarschs.
Das anklagende Baß-Solo (Nr. 4) kontrastiert mit dem folgenden tröstlichen Frauenchor, in dessen fließendem 6/8-Takt erstmals ein Hoffnungsschimmer anklingt, der aber durch einen aufgewühlten Mittelteil heftig in Frage gestellt wird.
Erst das sanfte Tenorsolo (N. 6), vom Männerchor eingefaßt, hat durchwegs meditativ-stillen Charakter. Dem melodiösen, durch und durch harmonischen Chor Virgo virginum praeclara folgen aber ein schmerzliches Duett von Sopran und Tenor, Fac, ut portem Christi mortem, und eine an barocker Oratorientradition orientierte Alt-Arie (Nr. 9), die zum großen Finale führt: Es beginnt mit einem Grabgesang von Solisten und Chor in h-Moll, führt aber in intensiver dynamischer Steigerung in die Amen-Fuge, der eine machtvolle A-cappella-Sequenz des Chores und die affirmative D-Dur-Coda des Orchesters folgt.