Antonín Dvořáks Siebente
1885
Seit seiner Uraufführung gilt dieses Auftragswerk der Londoner Philharmonic Society als eine der großen Symphonien der Romantik.
Antonín Dvořák hat nicht nur die »Symphonie aus der Neuen Welt« komponiert. Zumindest die drei letzten seiner neun Symphonien gehören zu den bedeutendsten Werken des romantischen Repertoirekanons.Den Auftrag der Philharmonic Society of London erhielt der Komponist im Juni 1884, kurz nach seinem ersten Aufenthalt in England. Er kam gerade recht, denn Dvořák hatte bereits im Jahr davor erste Ideen für eine neue Symphonie notiert und zwar unter dem direkten Eindruck eines Besuchs bei Johannes Brahms in Wien, der dem Kollegen Auszüge aus seiner eben vollendeten Dritten vorgespielt hatte.
Die Korrespondenz mit Brahms verrät auch, daß Dvořák durchdrungen war von der Idee, seiner Sechsten ein völlig anders geartetes Werk nachfolgen zu lassen; auch insofern unter dem direkten Einfluß des Freundes und Förderers, dessen Zweite ganz unmittelbar auf die ebenfalls in D-Dur stehende Sechste abgefärbt hatte. Der Beginn des Finalsatzes bei Dvořák klingt tatsächlich wie eine Paraphrase auf den Final-Beginn von Brahms . . .
Es gelang dem Komponisten, sich in der d-Moll-Symphonie von allen Vorbildern freizuspielen und seine ganz unverwechselbare Sprache zu sprechen - und überdies bei allem subjektivem, teils sehr leidenschaftlichen Ausdruck die Ansprüche der symphonischen Form zu erfüllen. (Seine Achte wird dann freier damit umgehen, fantastischere Blüten treiben . . .)
Der Anspruch, lyrische Momente mit dramatischen Ausbrüchen unter einem Dach zu vereinen, stellt allerdings die Interpreten vor immense Herausforderungen. Vielleicht der Hauptgrund für die, gemessen an der allseits anerkannten Bedeutung des Werks, vergleichsweise seltenen Aufführungsfrequenz.
Einer der bedeutenden Anwälte der Symphonie war der langjährige Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie, Vaclav Talich, dessen Aufnahme von souveränem Zuschnitt ist. Trotz der technischen Mängel - die Aufnahme entstand 1938! - spürt der Hörer bis heute die Hochspannung, die Talich in Momenten des Innehaltens oder der Erwartung - gleich ganz am Beginn der Symphonie oder vor der Schürzung des Knotens im Zentrum des Finalsatzes zu erzeugen wußte - und genießt Momente der Ruhe wie den selbestvergessenen Eintritt des F-Dur-Hornthemas im langsamen Satz.
Die magischen Qualitäten, die hier immerhin zu erahnen sind, hat keine spätere Aufnahme wieder erreicht.
Freilich ist die bedeutend jüngere, stereophone Einspielung durch die Berliner Philharmoniker unter Rafael Kubelik dank der Kompetenz des Dirigenten und seiner dramatischen Ader idiomatisch beinah ebenso stimmig und mitreißend geraten.
Klanglich wird diese Aufnahme nur durch die satte Fülle des Wiener philharmonischen Tons unter Lorin Maazel übertroffen, einer Aufnahme vom Anfang der Achtzigerjahre, live im Musikverein produziert und im Studio dann ein wenig nachgebessert, aber in ihrer Spontaneität und dunkel glühenden Intensität unvergleichlich.