Die Cellosonaten

Johannes Brahms

Zwei Sonaten für Violoncello und Klavier hat Brahms vorgelegt. Die erste, in e-Moll, war die erste Duosonate aus seiner Feder - und brauchte wie die erste Symphonie Jahre zum Reifen. Die ersten Sätze des Werks waren schon 1862 fertiggestellt. Das Finale fand der Komponist erst drei Jahre später.

Sonate Nr. 1 e-Moll op. 38

  • Allegro non troppo,
  • Allegretto quasi Menuetto
  • Allegro
  • Vor Drucklegung machte Brahms aus dem viersätzig angelegten Werk doch noch einen Dreisätzer und eliminierte das Adagio. Nun steht das Allegretto quasi Menuetto als eine Art Intermezzo zwischen zwei durchaus dramatischen Ecksätzen. Daß sich Brahms mit dem Finale Zeit gelassen hatte, könnte mit ausführlichen kontrapunktischen Studien zu tun haben: Das Vorbild Bach klingt nicht nur in der Themenbildung (»Die Kunst der Fuge«!) nach, sondern vor allem in der komplexen Faktur des Satzes, der fugiert gearbeitet ist - und, typisch für die konzentrierte Denkungsweise dieses Komponisten, kurze Ansätze zu lyrischen Zwischenspielen aus dem Material des kontrapunktischen Hauptsatzes gewinnt.

    Die ersten Aufführungen fanden in privatem Kreis statt - mit Brahms am Klavier und dem Widmungsträger Joseph Gänsbacher als Cellisten. Als Gänsbacher sich beschwerte, daß Brahms zu laut spiele, er könne sein eigenes Spiel nicht mehr hören, entgegnete Brahms gewohnt zynisch: »Umso besser für Sie!«

    Der Vorkämpfer für das Werk, das Brahms seinem Verleger Simrock gegenüber als leicht aufführbar deklarierte, war der Cellovirtuose → Robert Hausmann, dem der Komponist als Dank für seinen Einsatz zwanzig Jahre später die Sonate Nr. 2 widmete und neben Joseph Joachim 1887 auch zum Uraufführungs-Solisten seines letzten Instrumentalkonzerts, des Doppelkonzerts erwählte.

    Sonate Nr. 2 F-Dur op. 99

  • Allegro vivace
  • Adagio affettuoso
  • Allegro passionato
  • Allegro molto
  • Die zweite Sonate entstand zwei Jahrzehnte nach dem Erstling, zwei Jahre nachdem Brahms Robert Hausmann kennengelernt hatte, der sich als Pionier der e-Moll-Sonate bewährt hatte und ein angesehener Cello-Lehrer der Berliner Akademie war. Diesmal blieb die Viersätzigkeit erhalten, wobei das Werk eine erstaunliche harmonische Architektur aufweist: Das Adagio affettuoso steht in Fis-Dur, das Hauptthema wird auf aparte Weise im Pizzicato vorgestellt. Der Mittelteil findet dann zum Grundton der Sonate zurück, steht aber in Moll, wie das folgende Scherzo, dessen Trio aber in liedhafter Schlichtheit zum F-Dur zurückfindet. Der Kopfsatz leitet das Werk in dramatischer Weise mit einem förmlichen Primadonnen-Auftritt des Cellos über brodelnden Klavier-Tremoli ein, das Finale gibt sich demgegenüber als für Brahmsssche Verhältnisse völlig gelöstes Rondo, dessen zahlreiche Stimmungstrübungen sich stets wieder rasch ins Spielerische auflösen.


    Hör-Tipp

    Mstislav Rostropowitsch und der noble Rudolf Serkin haben - spät in ihrer Karriere - die oft heftigen Stimmungsschwankungen beider Werke mit spürbarer Hingabe, aber nie zu überschwenglich, stets bedacht auf Wahrung der Form aufgenommen. Eine bewundernswerte interpretatorische Balanceübung. Und ein besonderes Dokument, denn der Meistercellist hat diese beiden Standardwerke seines Repertoires nur dieses eine Mal aufgenommen!

    ↑DA CAPO