Georg Christoph WAGENSEIL
1715 - 1777
Er war einer der »Großväter« der Wiener Klassik. Am ehesten können Posaunisten mit seinem Namen noch etwas anfangen, denn aus der Feder des Wiener Komponisten stammt das wohl früheste Konzert für ihr Instrument, das die Musikgeschichte bereithält.
Den Harfenisten ergeht es ähnlich, auch sie haben mit dem Konzert in G-Dur ein klangschönes, im Finale sogar recht virtuoses Solostück zur Verfügung – das im Erstdruck allerdings ausdrücklich als Klavierkonzert firmiert. Tatsächlich läßt sich das Werk auf beiden Instrumenten günstig zum Klingen bringen.
In ihrer formalen Anlage beweisen sowohl das Es-Dur-Konzert für Alt-Posaune, als auch das Klavier- (bzw. Harfen-)Konzert (in G-Dur), daß Haydn und Mozart in ihren Concerti auf Vorbild-Stücken aufbauen konnten, die nicht nur in Mannheim oder Berlin zu finden, sondern in Wien komponiert worden waren: Vor allem an der Musik des G-Dur-Konzert ist nichts mehr »barock«.
Wiener Hofmusiker
Wagenseil pflegt durchaus den leichten, galanten Stil, melodiebetont und ohne kontrapunktische Kunstfertigkeit. Ausgebildet unter anderem vom führenden Meister des österreichischen Spätbarock, Johann Joseph Fux, bekleidete Wagenseil am kaiserlichen Hof seiner Heimatstadt Wien verschiedene Funktionen und traf auf Italien- Reisen unter anderem mit Johann Christian Bach zusammen, dessen modernen Gusto er teilte.
Nebst den genannten, vergleichsweise populären Konzerten stammen aus seiner Feder auch Dutzende Symphonien, die den Humus für die später so genannte »Klassik« aufbereitet haben.
Auf dem Label cpo erschienen zwei CDs mit Wagenseil'schen Symphonien, aufgenommen von Michi Gaigg mit ihrem Orfeo Orchester und Johannes Goritzki mit dem Stuttgarter Kammerorchester - jeweils dreisätzige, dem italienischen Ouvertüren-Schema folgende Stücke, von denen einige, vermutlich die älteren, statt mit einem raschen Allegro-Finale mit einem Menuett schließen. (cpo)
Daß Wagenseil seine Chance am Wiener Hof verdankte, weil sein Lehrer und Mentor Johann Joseph Fux ihn als exzellenten Organisten empfahl, daran erinnert eine CD Elisabeth Ullmanns, die mit dem Piccolo Concerto Wien vier »Klavierkonzerte« - die in jenen Jahren tatsächlich auf den unterschielichsten Tasteninstrumenten gespielt werden konnten - mit Orgel aufgenommen hat: Hier gelangen klanglich aparte, lebhafte Wiedergaben der originellen, abwechslungsreichen dreisätzigen Stücke, die mehrheitlich noch mit einem Menuett-Finale enden. (Accent)
Er hat Mozart umgeblättert
Mit dem jungen Mozart war Wagenseil gut bekannt: Als das kindliche Salzburger Genie vor dem Kaiserhaus aufspielen durfte, musizierte er unter anderem eine Sonate von Wagenseil, der auch Maria Theresias Tochter Marie Antoinette das Klavierspielen beigebracht hatte.
Eine gern erzählte Anekdote besagt, der kleine Wolfgang Amadé hätte den älteren Komponisten damals gebeten, ihm doch die Noten umzublättern . . .
Zwischen Barock und Klassik
Für Mozart war Wagenseil ein Begriff, denn Vater Leopold hatte ihm das Klavierspiel unter anderem mit einigen Kompositionen des Wiener Hofpianisten beigebracht.
Halb vergessen ist Wagenseils Beitrag zur Musikdramatik. Wie er in den Instrumentalwerken und in seiner Kirchenmusik versucht, die barocken Formen aufzulösen und dem Zeitgeschmack entsprechend zu »modernisieren« bricht er auch in seinen Opern das althergebrachte, starre Schema der Opera seria auf, um dramaturgisch realistischere Effekte zu erzielen. Damit war er ein Vorläufer der reformatorischen Bestrebungen Glucks und Mozarts.