Jan Václav (Hugo) Voříšek
1791 - 1824
Geboren im ostböhmischen Wamberg bei Königgrätz, begann der hochbegabte Jan bereits mit zehn zu komponieren, nachdem er vertretungsweise schon als Siebenjährige in den Kirchen der Umgebung seines Heimatorts die Orgel spielen durfte.
In Prag ging Voříšek ins Gymnasium auf der Kleinseite und studierte ab 1811 Philosophie an der Universität. Vermutlich war in Prag Johann Wenzel Tomaschek sein Klavierlehrer. Jedenfalls widmete ihm Voříšek sein Opus 1, Zwölf Rhapsodien für Klavier.
Doch fand die wichtigste musikalische Prägung an der philosophischen Fakultät der Prager Universität statt, wo Franz Xaver Niemetschek, der erste Mozart-Biograph, seit 1803 Ethik und Pädagogik unterrichtete. Mit ihm, der auch Musikkritiken schrieb, dürfte sich Voříšek auch rege über Musik ausgetauscht haben.
Wiener Musikleben
Mit 22 Jahren ging Voříšek nach Wien, um sein Rechts-Studium fortzusetzen. Doch wurde er zu einem der bekanntesten Musiker der Beethoven-Ära wurde und es bis zum Hoforganisten brachte.
Mit Beethoven pflegte Voříšek offenbar wenig Kontakt, obwohl sich der Ältere angeblich positiv über die Rhapsodien geäußert hat. Mozarts Schüler Johann Nepomuk Hummel allerdings, bei dem sich Voříšek als Pianist den letzten Schliff holte, war von Voříšeks Talent so begeistert, daß er ihn zu seinem Nachfolger als gesuchter Klavierlehrer machte und 1816 vor seiner Abreise nach Deutschland alle Schüler seiner Obhut übergab.
Der Pianist Voříšek wurde von den Zeitgenossen hoch geschätzt. Alois Fuchs würdigt den Frühverstorbenen in einem Nachruf im »Monatsbericht der Gesellschaft der Musikfreunde« 1829 für seine spontanen Auftritte und kommentierte, daß Voříšek sogar den diesbezüglich damals geschätzten Ignaz Moscheles übertraf:
Im unvorbereiteten Phantasieren, ... wo das individuelle Genie sich höchst unverkennbar ausdrückt, wurde Worzischek lediglich von seinem Vorbild Hummel übertroffen
Unter den Gründungsmitgliedern der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde war Voříšek einer der rührigsten. Ehrenamtlich arbeitete er zunächst Korrepetitor, bald aber als Kapellmeister der Gesellschaftskonzerte. Den Posten des Hoforganisten mußte sich Voříšek erkämpfen. Ein erstes Gesuch wurde abschlägig beschieden, weshalb der Komponist seine juristischen Studien beendete, um als Brotberuf eine Beamtenlaufbahn einschlagen zu können. 1822 wurde er jedoch zum Zweiten Organisten und trat im Jahr darauf dessen Nachfolge an. Doch riß ihn eine schwere Lungenkrankheit aus seinem Schaffen. Kuraufenthalte in der Steiermark und in Böhmen fruchteten nicht. Voříšek starb verarmt 33-jährig in Wien. Bestattet wurde er auf dem Währinger Friedhof, der nach der Auflassung, 1925, zum »Franz Schubert-Park« wurde.
Das Werk
Voříšeks Musik läßt sich am besten mit den gleichzeitig entstandenen Frühwerken des jüngeren, früher gereiften Franz Schubert vergleichen: Versuche, die klassischen Formenzu meistern paaren sich mit romantischem Gefühl - es ist Voříšek, der als erster im deutschsprachigen Raum Klavier-Impromptus veröffentlicht.
Wie Schubert versucht er formal auf Haydn und Mozart aufzubauen und gibt sich fasziniert von den neuen Tönen, die Beethoven in seinen Sonaten, Quartetten und den frühen Symphonien anschlug. Voříšek reflektierte sie auf seine Weise und lieferte mit seiner D-Dur-Symphonie op. 23 (1821) einen der originellsten Beiträge zur Gattungsgeschichte, wenn er auch stilistisch etwa zehn bis 15 Jahre zurückgreift.
Die klassische viersätzige Anlage paraphrasiert Voříšek inhaltlich durch die beiden in Moll gehaltenen Mittelsätze, ein Andante in h-Moll, das von einem heftig bewegten Durchführungsteil geprägt ist, sowie ein dramatisch hochfahrendes Scherzo in d-Moll, dessen vom Horn angeführtes Trio dann wieder an Schubert denken läßt. -- Wollte man Voříšek zum Ahnherrn einer tschechischen Nationalmusik machen, ließe sich darauf verweisen, daß Antonin Dvorak später im Scherzo seiner Vierten Symphonie (in derselben Tonart, d-Moll) ähnliche Töne anschlägt . . .
Charles Mackerras hat das Werk aufgenommen und beziehungsvoll mit der vermutlich gleichzeitig entstandenen Symphonie des frühvollendeten Juan C. de Arriaga gekoppelt. (hyperion)
In seiner Klaviermusik gibt sich Voříšek, der große Improvisator, experimenteller. Radoslav Kvapil hat mit der Sonate op. 20 und der Fantasie op. 12 zwei herausragende Beispiele für Voříšeks Stil aufgenommen: Die Fantasie ist zweiteilig und balanciert im einleitenden Andante zwischen barocker Kontrapunktik und Beethovens kraftvoll zupackender Rhetorik, erinnert hie und da aber auch an die pianistische Koloratur-Brillanz Carl Maria von Webers. Das folgende Allegro wird die Zeitgenossen an vergleichbare Stücke von Hummel erinnert haben, ist aber kompositionstechnisch höchst interessant: Voříšek unterzieht hier die Motivik des Andante-Teils einer weitgehenden Metamorphose, wie wir sie später bei Liszt finden werden: Charakter, Tempo und Rhythmik verwandeln sich grundlegend.
Aus Dur wird Moll, aus dem 3/4- ein4/4.Takt.
Von der zur selben Zeit entstandenen großen Messe in B aus der Feder des Wiener Hoforganisten Voříšek, also - wie die Symphonie - aus der spätesten Lebensphase des Komponisten stammend, gibt es eine Aufnahme aus Prag unter Paul Freeman.