Johann Baptist Wanhal

1739 - 1813

Geboren im ostböhmischen Nechanitz, erfuhr der offenkundig musikalisch begabte Bauernsohn von den besten verfügbaren Lehrern in benachbarten Orten eine gründliche Ausbildung. Die Zeitgenossen schildern ihn als klugen, zufriedenen, ehrlichen jungen Mann, von bescheidenem, aber sicherem Auftreten. Als er um 1760 auf Vermittlung seines Grundherrn, des Grafen Schaffgotsch nach Wien ging, sprach er nicht nur perfekt Deutsch, sondern spielte ebenso perfekt Geige und Orgel.

Die Zeit in Wien

Der junge Wanhal wurde, eingeführt durch die Gräfin Schaffgotsch, vom Wiener Adel als Musiker gut aufgenommen. Dank seines Könnens wurde er zum ersten prominenten Musiker, der vom Komponieren und Konzertieren leben konnte. Musikern dieses Kalibers ist es zu danken, daß Mozart zwanzig Jahre später bemerken konnte, Wien sei für sein Metier »der beste Ort von der Welt«

Der Aufbau der adeligen und parallel dazu der wetteifernden bürgerlichen Salonkultur in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts fand in Wanhal einen wichtigen Gründervater.

Karl Ditters von Dittersdorf, einer der Ahnherrn dieses Kulturphänomens, wurde Wanhals wichtigster musikalischer Protektor.

Modernes Konzertlebens

Für die musikalischen Soireen jener Ära mußten immer neue Werke geschaffen werden, die dem Zeitgeschmack entsprachen. Viele Adelige engagierten eigene kleine Orchester, der Handel mit Notendrucken boomte. Wanhal errang in diesem Umfeld als Geiger, Komponist und Lehrer bald Berühmtheit. Er empfahl sich als geschickter Arrangeur musikalischer Veranstaltungen.

So wurde Baron Issac von Riesch aus Dresden auf ihn aufmerksam, der ihn zu seinem Kapellmeister machte und ihm ermöglichte, vor Amtsantritt seine Kenntnisse im »Land er Musik«, in Italien, zu vervollkommnen.

Italien-Reise

In Italien traf er in der Saison 1769/70 - vor allem während der Monate in Florenz - mit führenden Musikern, Literaten und Philosophen zusammen, was ihm eine Weltgewandtheit und Umsicht vermittelte, die ihm nach seiner Rückkehr nach Wien zugute kam.

Seine freiberufliche Tätigkeit gab Wanhal die Möglichkeit, seine Familie von der Leibeigenschaft freizukaufen - ein bemerkenswertes Detail einer Biographie in der maria-theresianischen Epoche - sollte Wanhal später doch freundlichen Umgang mit dem freigeistigen Kaiser Joseph II. pflegen.

In Bedrängnis geriet der Komponist freilich nach der Rückkehr aus Italien. Er mußte seinem Dienstherrn, der die Studienreise finanziert hatte, mitteilen, daß er gar nicht willens war, sein Amt in Dresden anzutreten. Die Verlockung Wiens war zu groß. Die Auseinandersetzung mit dem Baron Riesch unangenehm genug, um Wanhal für einige Zeit in eine tiefe Depression zu stürzen. Als der Kulturreisende Charles Burney Wanhal 1772 in Wien traf, konnte er von einem durchaus anerkannten Lehrer und Komponisten Wanhal berichten.

Adelige Förderer blieben trotz des Affronts gegen Riesch nicht aus. Graf Ladislaus Erdödy holte Wanhal zwischen 1773 und 1779 mehrmals als Kapellmeister auf sein Anwesen ins damals ungarische Varazdin.

Wanhals Wiener Werke verbreiteten sich dank ihrer Qualität bald in ganz Europa. In Paris, London und Berlin erschienen Drucke seiner Symphonien. Aufführungen sind sogar in Boston und Philadelphia nachweisbar.

Wobei die Zeit dieser Gattung im Wiener Musikbetrieb nach 1780 langsam zu Ende ging - ein Grund dafür, daß auch Mozart in seiem Wiener Jahrzehnt nur wenige Symphonien komponierte.

Auch Wanhals symphonische Produktion endete in diesen Jahren. Um 1785 war Wanhal einer der Favoriten der neuen Musik-Verlage, die sich in Wien etabliert hatten, Artaria, Hoffmeister, Eder oder Sauer konkurrierten um die Gunst von Komponisten und Käufern - und der »Markt« verlangte mehr und mehr nach klein besetzten, kammermusikalischen Stücken. Und nach viel Klaviermusik, die oft pittoresk-programmatischen Inhalts sein mußte, um die Neugier der Käufer zu wecken und Anklang zu finden.

Wanhals erster Biograph Johann Gottfried Dlabacz (1758–1820) beschreibt die Lebensumstände des Komponisten im Jahr 1795:

Da ihn übrigens, seitdem er sich bereits mehr als fünfzig Jahre in Wien aufgehalten, sein von Tag zu Tag zunehmendes Alter an der Bearbeitung größerer Werke hinderte, so beschäftigte er sich meistens mit dem Unterrichte des musikalischen jungen Adels, und der Herausgabe verschiedener Klavierstücke zum Gebrauche seiner Schüler, deren mehrere er seither mit ungemein gutem Fortgange auf dem Pianoforte und in der Setzkunst ausbildete. Das Publikum erhält von ihm von Zeit zu Zeit eine beträchtliche Anzahl von sehr schönen Klaviersonaten, Variationen, Kaprizen, Konzertanten, und andern kleinern Stücken, die von allen Kennern sowohl, als Dilettanten mit ungetheiltem Beifalle aufgenommen wurden.

Wanhal konnte sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, unterrichtete - unter anderem Carl Czerny und Ignaz Pleyel -, musizierte mit Haydn, Mozart und seinem Lehrer Dittersdorf, und genoß in bescheidenen, aber wohl situierten Verhältnissen in Wien - ganz in der Nähe des Stephansdoms - seinen Lebensabend.

Stil

Wanhal ist einer der wichtigsten Komponisten der Zeit des Übergangs vom Spätbarock und dem empfindsamen Stil zur klassischen Ausgewogenheit. Seine frühen Symphonien klingen - wie die gleichzeitigen Kompositionen eines Joseph Haydn - oft nach »Sturm und Drang«, später stellt sich die stilbildende Drei- und Viersätzigkeit ein. Wobei Wanhal mehr noch als viele die Zeitgenossen Wert auf dramaturgisch vielfältige Durchführungsarbeit legt. In seiner Musik ist, könnte man nonchalant sagen, meist »viel los«. Das machte sie auch für kritische Geister wie Wolfgang Amadé Mozart interessant.

Mozart als Wanhal-Interpret.Mozart führte nachweislich ein Violinkonzert in B-Dur aus Wanhals Feder im Gepäck, als er Ende der Siebzigerjahre zu seiner großen Paris-Reise aufbrach.
Ich machte eine Symphonie, und spielte auf der Violine das Concert B dur von Wanhall mit allgemeinem Applaus.
So schrieb Mozart im Oktober 1777 an seinen Vater über einen Auftritt in Augsburg - schon kurz nach dem Aufbruch zu dieser Fahrt hatte er im niederösterreichischen Heiligenkreuz Station gemacht und nebst einem eigenen auch das Wanhal-Konzert gespielt.

Die Werke der Achtzigerjahre zeigen Wanhal als originellen Kopf, der unter dem Titel »Caprice-Sonaten« Werke publizierte, die den von ihm selbst gestellten, »klassischen « Form-Anspruch wieder sprengten und fantastische Blüten trieben, von Werk zu Werk - oft von imaginierten Programmen ausgehend - neu definieren. Die Sonaten tragen Titel wie Amoroso oder Dolente.




↑DA CAPO