Familie STAMITZ
1720 hat Kurfürst Carl Philipp von der Pfalz Mannheim zu seiner Residenzstadt erwählt und sein prächtiges Schliß errichten lassen. 1723 gründete er ein Orchester mit - damals unglaublich groß besetzt! - 56 Musikern. Dieses Ensemble war bald das berühmteste Orchester Deutschlands - nach Charles Burney eine »Armee von Generälen«.
Zur immensen Qualität hatten die Komponisten-Familie Stamitz nicht unerheblich beigetragen: Der Vater und zwei Söhne waren die kurfürstlichen Kapellmeister - und alle drei zählten zu den bedeutendsten Komponisten ihrer Zeit, deren Musik entscheidend zur Entwicklung der heute sogenannten Klassik beigetragen hat.
1778 zählte das Musiker- und Sängerensemble Mannheims, unter der Regentschaft Karl Theodors, des nachmaligen Bayrischen Königs, kräftig ausgebaut, an die neunzig Mitglieder. Deren Virtuosität war vor allem durch die Führungsrolle des Geigers und Konzertmeisters Johann Stamitz (1717 - 1757) geschult, der seit 1742 der Hofkapelle angehörte. Mit der von Stamitz geschulten Disziplin entwickelten sich orchestrale Kunstfertigkeiten, vor allem ein dynamischer Reichtum, der zuvor unbekannt war. Das »Mannheimer Crescendeo« wurde weltberühmt, manche der von Stamitz in seinen Werken kultivierten musikalischen »Figuren« machten, auch wenn Stamitz sie vielleicht gar nicht selbst erfunden hatte, Schule und bekamen eigene Namen und wurden als »Mannheimer Rakete« ins Vokabular der Orchesterkompositionen integriert. Die 69 Symphonien von Johann Stamitz sind jedenfalls von unschätzbarer Bedeutung für den Siegeszug der Gattung.
Die Söhne
Johanns Söhne Carl (1745 - 1801) und Anton (* 1750) repräsentierten die zweite Generation der Mannheimer Schule. Auch ihre Kompositionen waren maßstabsetzend für die Entwicklung des Instrumentalrepertoires. Carl, der ältere der beiden, hatte zuerst von seinem Vater und nach dessen Tod, 1757, bei den Mannheimer Kollegen von Johann Stamitz, Christian Cannabich, Ignaz Holzbauer und Franz Xaver Richter studiert.
Carl war zunächst Geiger im Mannheimer Orchester. Im Verein mit seinem Bruder ging er 1770 nach Paris, wo die beiden regelämßig in den Concerts spirituels auftraten.
Carl trat in den Dienst des Herzogs von Noailles. In jener Zeit bediente er den französischen Publikumsgeschmack unter anderem auch mit programmatisch grundierten Symphonien und Sonaten.1770 waren seine ersten sogennanten Orchester-Quartette erschienen, Musik, die in ihrem feinsinnig differenzierten kammermusikalischen Stil sowohl als Streichquartett als auch als Orchester-Werk aufgeführt werden konnte.
Nach 1777 war Carl Stamitz dann reisender Virtuose, konzertierte in London, Den Haag (einmal mit dem zwölfjährigen Beethoven), Hamburg, Leipzig und Berlin, wo man ihm einen gut dotierten Residenz-Vertrag anbot. Seine Erfolge waren enorm, doch litt er in späten Jahren unter chronischem Geldmangel. Auch eine Anstellung als Kapellmeister in Jena konnte die Situation nicht veressern. Nach seinem Tod mußte sein gesamtes Hab und Gut versteigert werden - wodurch zahllose Manuskripte verschwanden.
Nicht gerade schmeichelhaft nimmt sich die Charakterisierung der Stamitz-Brüder durch Mozart aus, der von seiner Paris-Reise an den Vater Leopold schrieb:
von die 2 Stamitz ist nur der jüngere hier, der ältere (...) ist in London - das sind 2 Elende Notenschmierer - und spieller - Säüffer - und hurrer - das sind keine leüte für mich - der hier ist hat kaum ein gutes kleid auf den leib.
Das Gerbersche Lexikon hingegen preist 1792 das Können und den Mut von Carl Stamitz, sich als freischaffender Künstler sein Brot zu verdienen:
Mit welcher außerordentlichen Kunst und Fertigkeit er nun auf der Bratsche koncertirt, mit welchen himmlisch-süßen Tönen und Gesängen mit seiner Viol d’Amour die Ohren bezaubert und mit welchem Feuer, mit welcher Thätigkeit er als Anführer die Violine traktiert; davon sind seitdem Berlin, Dresden und mehrere Residenzen und große Städte Zeugen gewesen. Und gewiß würde ihn schon längst einer der deutschen Höfe an sich gefesselt haben, wenn nicht die außerordentliche Abneigung dieses Künstlers gegen alle Verbindungen dieser Art, seine Aufnahme in einer Kapelle im Wege gestanden hätte. In der That ein großes Unternehmen, in Deutschland als ein freyer Künstler leben zu wollen. Und gewiß darf der nicht weniger Kunst als Stamitz besitzen, welcher auf diesem Weg einschlagen will. Unterdessen ist Stamit noch gegenwärtig frey...
Anton Stamitz war offenbar bis zu seinem Tod in Frankreich geblieben. Er verschwand aber aus dem Radar-Bereich der Musikwissenschaft. Angeblich soll er 1780 Rodolphe Kreutzer unterrichtet haben. Sicher ist, daß seiner Witwe im Jahr 1809 die ihr zustehende Rente nicht ausbezahlt wurde - das wissen wir aus ihrem Beschwerdebrief, der erhalten geblieben ist. Wann Anton Stamitz gestorben ist, läßt sich hingegen nicht ermitteln.
Beide Söhne Johanns haben das Konzertrepertoire erheblich erweitert. In manchen Fällen läßt sich genau ermitteln, warum sie bestimmte Instrumente bevorzugten. Bratschisten sind dankbar, daß es aus Carls und Antons Feder manch dankbaren Solopart für ihr Instrument gibt, das Vater Johann schon geliebt hatte - er pflegte auch das Spiel auf der Viola d'amore.
Und daß Carl in späten Jahren etliche Cellokonzerte geschrieben hat, war gewiß der Leidenschaft des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II. für dieses Instrument zu danken - er war es, der den Komponisten vertraglich eng an Potsdam gebunden hatte.
Die Konzerte von Carl Stamitz sind Musterbeispiele für jenes dreisätzige Formschema, das bald als »klassisch« galt: Ein Allegro, dessen Hauptthema zunächst vom Orchester vorgestellt und dann von der Solostimme aufgenommen wird. Ein lyrischer Mittelsatz und ein fröhlich gestimmter Final-Satz in Rondoform mit abwechslungsreichen Episoden.