Josef Mysliveček
(1737 - 1781)
»Il divino Boemo« nannten ihn die Italiener, weil der Name
Mysliveček für sie schlechterdings unaussprechbar war, sie aber auf seine Dienste nicht verzichten mochten: Nicht viele Komponisten seiner Zeit verstanden es, so geschmeidig für Singstimmen zu schreiben und die Vorzüge einzelner Sänger so vorteilhaft ins akustische Rampenlicht zu rücken. Josef Mysliveček
war dank dieser Fähigkeiten zu einem der gesuchten Komponisten jener Ära geworden, die Joseph Haydn in Sachen Instrumentalmusik beherrschte.
Zur Welt gekommen war der »Göttliche Böhme« in der Nähe von Prag als Sohn eines Müllers, dessen enorme Begabung sogleich gefördert wurde: Mysliveček durfte nach Prag, um Philosophie und Literatur zu studieren. Die elterliche Mühle überließ Mysliveček nach dem Tod seines Vater allerdings seinem Bruder. Er selbst wollte sich ganz der Musik widmen, suchte zunächst in Prag als Geiger sein Glück, während er seine musiktheoretischen Kenntnisse auffrischte. Das Studium bei Franz Johann Habermann zeitigte als Gesellenarbeit eine Serie von sechs programmatischen Symphonien (benannt nach den ersten sechs Monaten des Jahres), die 1760 als Opus 1 im Druck erschienen. Drei Jahre später ging Mysliveček nach Venedig, um sich zu perfektionieren. Ab 1764 kamen seine Opern an verschiedenen wichtigen Opernhäusern heraus: beginnend mit Medea in Parma. In Neapel folgten ein innerhalb kürzester Zeit komponierter Bellerofonte und - wegen dessen großen Erfolgs - wenige Monate später Farnace. Dieses Werk bedeutete Myslivečeks Durchbruch. Von diesem Moment an galt er als einer der führenden Opernkomponisten. Turin, Rom, Venedig, Bologna,
Florenz und Mailand spielten seine Werke. Wien folgte 1772, München - allerdings mit wenig Erfolg im Jahr darauf. Myslivečeks ging nach Italien zurück und meinte, nur dort könne man zu musiktheatralischen Höchstleistungen inspiriert werden.
Den Gipfel seines Ruhms erlangte er 1774, als er in Neapel Glucks Orfeo ed Euridice als Pasticcio mit
Arien von Johann Christian Bach und eigenen Kompositionen präsentierte. In der folgenden Spielzeit gehörte die neapolitanische Opern-Stagione seinen Werken: Demofoonte und Ezio (1775) wurden Sensationserfolge. Der Kurfürst von Bayern holte Mysliveček nach München, wo Ezio und - in der Fastenzeit - das Oratorium Abramo ed Isacco Furore machen.
Die Berühmtheit des Komponisten zeitigte auch amouröse Folgen. Myslivečeks Liebesaffaire mit der begehrten Primadonna Lucrezia Aguiari war Tagesgespräch in den kulturellen Zirkeln, nicht minder seine folgenden Tändeleien mit ausnehmend schönen Damen des Opernbetriebs.
Doch forderte die erotische Freizügigkeit ihren Tribut. Mysliveček litt an der Syphilis, die katastrophalen Folgen für ihn hatte. Die ärztliche Behandlung, der er sich unterzog, war unzureichend und zog eine schwere Entstellung des Gesichts nach sich. Wir lesen darüber in einem Brief Mozart, der anläßlich seiner Reise nach München begegnete und im Oktober 1777 schrieb:
Wenn sein gesicht nicht wäre, so wäre er völlig der nämliche; voll feüer, geist und leben ... ganz München redet von seinem oratorio, Abramo und Isacco, so er hier produciert hat.Zurück in Italien war Mysliveček noch eine Zeitlang in Neapel erfolgreich, ging dann über Venedig und Mailand nach Rom, wo er, krank und durch allzu verschwenderischen Lebenswandel verarmt, elend zugrunde ging.
Seine Gabe, für Stimmen angenehm zu schreiben, hielt Mysliveček davon ab, sich um dramaturgisches Raffinement zu sorgen. Die Sänge wie das Publikum liebten seine Musik, die sich formal vollkommen an das althergebrachte Schema der Opera seria hielt. Nur in seinen oratorischen Werke sucht Mysliveček nach moderneren Ausdrucksmitteln, die ihn hie und da in die Nähe Mozarts rücken. (Christoph Spering hat die beachtliche Passionsmusik für CD eingespielt.)
Mozart war von Myslivečeks Musik durchaus angetan und schrieb über seine Sonaten an die Salzburger Familie:
sie sind ganz leicht und gut ins gehör. mein rath wäre, meine schwester ... solle sie mit vieller expreßion, gusto und feüer spielten, und auswendig lernen. Denn das sind Sonaten welche allen leüten gefallen müssen, leicht auswendig zu lernen sind, und aufsehen machen, wenn man sie mit gehöriger Precision spiellt.Dankbar sind auch die Instrumentalkonzerte Myslivečeks, die sich vor allem durch ihre lyrischen Mittelsätze, die meist an Instrumentalversionen von Opernarien erinnern. In den Ecksätzen verläßt sich der Komponist hingegen ebensosehr auf seine melodische Erfindungsgabe und mißt der motivischen Verarbeitungstechnik, an der schon die Zeitgenossen die Qualität der Instrumentalmusik zu messen begannen, weniger Gewicht zu.