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Carl CZERNY

1791 - 1857

Der Name Czerny versetzt Klavierschüler seit Gnerationen in Angst und Schrecken. Keiner, der nicht durch die Schule der Geläufigkeit hindurchmußte...

Doch kann diese Sicht auf die musikalische Historie die Bedeutung dieses Wiener Komponisten und Pianisten nicht schmälern - für die Kunst des Klavierspiels und die Spieltradition der Wiener Klassik hat er Unschätzbares geleistet.

Beethoven hatte den talentierten jungen Mann - gegen sehr geringes Entgelt - als Schüler akzeptiert und widmete sich seinem pianistischen Fortkommen mit Hingabe. Czerny revanchierte sich beim Lehrer mit liebevollem Engagement für dessen Schaffen und vor allem für die Interpretation von Beethovens Werk, die er so innig wie möglich an Beethovens eigene Spielweise zu adaptieren trachtete. Als Theoretiker und Lehrer hat Czerny die Beethoven-Schule fortgeführt und zur Grundlage der pianistischen Technik gemacht, wie sie noch 200 Jahre danach gültig bleiben sollte.

Über Czernys bedeutendste Schüler, Franz Liszt und, vor allem, Theodor Leschetitzky verbreitete sich diese Schule über die ganze Welt, wurde zur Grundlage des »deutschen« Klavierstils wie des französischen und des russischen. Alle bedeutenden Pianisten der Interpretationsgeschichte können ihren Stammbaum auf Czerny - und damit auf Beethoven - zurückführen.

Der Komponist Czerny trat auf diese Weise hinter den Pädagogen zurück. Doch interessiert man sich in jüngster Zeit durchaus auch für sein kompositorisches Schaffen.
8. Februar 1995

Ehrenrettung auf CD

Klavier zu vier Händen spielten nicht nur engagierte Laien im großbürgerlichen Wohnzimmer um 1900. Ein junges Duo macht eine halbvergessene Musikgattung wieder salonfähig. Ein Gespräch mit Yaara Tal und Andreas Groethuysen. Wer kennt sie nicht, die unzähligen Arrangements von Opernouvertüren und Orchesterserenaden, von Mozartquartetten und Brucknersymphonien »für Klavier zu vier Händen«, wie sie aus Urgroßmutters Hausrat auf uns - oder ins Antiquariat - gekommen sind. Denkmäler einer versunkenen Kultur, in der das Klavierspiel noch integraler Bestandteil der bürgerlichen Erziehung war und Familienmitglieder noch miteinander musizierten.

Das ist Geschichte. Man hat seinen CD-Player. Und hört, wenn man als Kuriosität eine der Platten des Duos Tal/ Groethuysen gekauft hat, »Vierhändiges« jetzt auf diese Weise. Bei den beiden in München beheimateten Künstlern sie haben soeben ein Konzert im Musikverein absolviert lernt der Musikfreund einen im Konzertleben nie etablierten Bereich der jüngeren Musikgeschichte kennen.

Und wundert sich: »Wir haben zum Beispiel ein Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester von Carl Czerny entdeckt, ein spritziges, charmantes Stück, mit dem wir enormen Erfolg hatten«. Czerny, der Komponist der unerträglichen Etüdenwerke, mit denen sich jeder Klavierstudent abzuquälen hat?

»Ja«, erzählt Andreas Groethuysen weiter: »der hat wunderbare Musik geschrieben, die man überhaupt nicht kennt«. Die Platte mit Czerny-Werken, es war die allererste des Duos, schlug ein wie eine Bombe: In aller Welt waren Musikfreunde verblüfft, daß aus der Feder des Quälgeists so brillante Kompositionen zu entdecken waren.

Czerny ist freilich nicht der einzige Meister, dessen Schaffen durch das ungewöhnliche Engagement des Klavierduos Gerechtigkeit widerfährt. »Es gibt virtuose Konzertliteratur für Klavier zu vier Händen, die, anders als die Musik für zwei Klaviere, bis heute in den Archiven schlummert.«

»An intimen Stücken, die für den Hausgebrauch geschrieben wurden, mangelt es bei dieser Besetzung natürlich nicht«, ergänzt Yaara Tal. »Aber es finden sich - etwa von Czerny, Reger oder Schubert - auch Meisterwerke, mit denen sich in großen Konzerthallen Staat machen läßt. So spielen wir bis zu sechzig verschiedene Werke in einer Spielzeit.«

↑DA CAPO