DIE „PARISER“ SYMPHONIEN
Joseph Haydns Symphonien Hob. I/82-87
Monsieur Le Gros, Directeur vom Concert spirituel, schrieb mir ungemein viel schönes von meinem Stabat mater, so aldort 4 mahl mit größtem beyfall produciert wurde; die Herren batten um die erlaubnuss dasselbe stechen zu lassen. Sie machten mir den antrag, alle meine zukünftigen werke zu meinem nahmhaften besten stechen zu lassen, und sie wunderten sich sehr, daß ich in der Singcomposition so ausnehmend gefällig wäre
das Brieffragment von 1781 beweist: Schon die Zeitgenossen betrachteten Joseph Haydn vornehmlich als unerreichten Meister der Instrumentalmusik.
Zwar hatte der Komponist den größten Teil seiner Arbeitskraft als Kapellmeister der Fürsten Esterházy in die Einstudierung von Opern-Produktionen gesteckt, doch ahnte die Welt, daß es die Streichquartette und Symphonien waren, mit denen Haydn die Musikgeschichte revolutionierte.
Paris bat daher wenig später für die Concerts de la Loge Olympique um sechs neue Symphonien. Federführend waren der Leiter der Konzerte, Joseph Le Gros, und der als „schwarzer Mozart“ in die Geschichte eingegangene, vielseitig begabte
→ Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges.
Die Aufführungen fanden durch ein auch für heutige Verhältnisse riesig besetztes Orchester statt: 40 Violinen, zehn Kontrabäße waren beteiligt, etwa jene Anzahl von Musikern, die Mozart in dieser Zeit freudig für die erste Aufführung seiner eigenen „Pariser Symphonie“ im alten Wiener Burgtheater dokumentiert und begrüßt.
Großer Klang soll also „historisch richtig“ eine Aufführung von Haydns Werken aus jener Epoche dominieren, von denen drei im französischen Ouvertüren-Stil mit einer langsamen Einleitung anheben, drei gleich im Allegro- (bzw. Vivace-)Tempo beginnen.
Die kompositorische Meisterschaft Haydns, der große formale Einheiten aus kleinsten motivischen Zellen zu entwickeln wußte, lobten bereits die zeitgenössischen Kritiker:
Man hat im vorigen Jahr alle Sinfonien von Herrn Haydns aufgeführt. Jeden Tag versteht man sie besser, und aus diesem Grunde bewundert man die Werke dieses vielseitigen Genies jeden Tag mehr. Jedes seiner Stücke ist sehr gut gemacht, von einmaligem Inhalt und zeigt die reichsten und verschiedenartigsten Entwicklungen. Sie unterscheiden sich sehr von jenen unfruchtbaren Komponisten, die fortwährend von einem Gedanken zum anderen schweifen und mechanisch Effekte auf Effekte häufen, ohne inneren Zusammenhang und ohne Geschmack. (Mercure de France, 1788)
Die Pariser Symphonien
Nr. 82 C-Dur, „Der Bär“, 1786
Nr. 83 g-Moll „Die Henne“, 1785
Nr. 84 Es-Dur, 1786
Nr. 85 B-Dur, „La reine“, 1786
Nr. 86 D-Dur, 1786
Nr. 87 A-Dur, 1785
Die „Kosenamen“ erhielten die Werke erst wesentlich später - eher aus verlegerischen Überlegungen; wobei die B-Dur- Symphonie mit dem Variationensatz über das frivole „Jeunne Lisette“ tatsächlich das Lieblingswerk von Königin Marie Antoinette gewesen sein soll.
Die Reihenfolge im Hoboken-Verzeichnis entspricht nicht den Entstehungsdaten und auch nicht der vom Komponisten an den Verleger Artaria mitgeteilten Wunsch- Reihung für den Druck:
2. August 1787: „... Ich vergass letzthin die Ordnung der Sinfonien anzuzeigen, und müssen solche folgenderarth gestochen werden. Die Sinfonie Ex A. Numero 1, Ex B Nro. 2, Ex g Nro 3, Ex Es Nro 4, Ex D Nro 5, Ex C Nr. 6
Artaria hat sich nicht daran gehalten.
Symphonien von Haydn dominierten in jener Zeit das Pariser Konzertleben. 1781 waren immerhin fast 20 Prozent der aufgeführten Werke aus seiner Feder, in der Zeit der Uraufführungen der eigens für Paris komponierten Stücke, wurden fast nur noch Haydn-Kompositionen musiziert. Der Anteil betrug eine Zeitlang an die 90 Prozent!
Somit begann in jenen Jahren die Herausbildung eines „Repertoire-Kanons“ von Musik, die immer wieder neu einstudiert und damit ins allgemeine Bewußtsein der Musikwelt einging.
Im Gefolge des enormen Erfolgs entstanden 1788/89 im Auftrag des Comte d’Ogny noch die Werke Hob. I/88-90 für die Concerts spirituels, ehe die Revolutions-Wirren dem blühenden Musikleben des Ancien régime ein Ende bereiteten.