Londoner Symphonien

Haydns Symphonien Hob. I/93-104

Der Buckingham Palace, wie Haydn ihn sah

Joseph Haydn hat die Symphonie nicht erfunden, das hat uns die Musikwissenschaft zur genüge eingebläut. Aber er war der erste Komponist, der als Symphoniker weltberühmt wurde. Paris bestellte beim berühmtesten Meister seiner Zeit neue Werke - und London holte ihn gleich zweimal leibhaftig in die Stadt, damit er hier insgesamt zwölf Symphonien zur Uraufführung bringen konnte.

Das war für die Zeitgenossen der Ära um 1790 ein Ereignis von europäischer Tragweite und wurde entsprechend propagandistisch ausgeschlachtet.

Legenden und »symphonische Sagen« über »Paukenschlag« und »Paukenwirbel«, tickende Uhren, sogar ein veritables Wunder wurden verbreitet.

Das Wunder von London

Seit der Publikation von Albert Christoph Dies' Biographischen Nachrichten von J. Haydn, die ein Jahr nach des Komponisten Tod - also eineinhalb Jahrzehnte nach Haydns letztem Londoner Aufenthalt - publiziert wurden, weiß die Welt, daß während der Uraufführung der D-Dur-Symphonie (Hob. I/96) ein riesiger Kronleuchter in den Konzertsaal gestürzt war, aber niemand verletzt wurde, weil das Publikum bereits in seinem Begeisterungstaumel über das neue Werk zum Podium nach vorn gestürmt war, um dem Meister zu huldigen. »A Miracle« soll Haydn damals ausgerufen haben - und davon hat das Werk nun seinen Beinamen.

Solche Gescichten sind unausrottbar, auch wenn längst nachgewiesen werden konnte, daß sie nicht stimmen. Zwar hat sich eines Abends während der Aufführung einer Haydn-Symphonie in London ein Luster selbständig gemacht - aber der dürfte nicht allzu groß gewesen sein und konnte keinen Schaden anrichten. Im Morning Cronicle konnten die Londoner Bürger anderntags lesen:
Der letzte Satz wurde da capo gegeben. Und abgesehen von einer Unterbrechung wegen eines zufällig herabfallenden Kronleuchters war das Konzert kein geringer Erfolg.
   
Überdies handelte es sich nicht einmal um die D-Dur-Symphonie Nr. 96, sondern um die Symphonie in B-Dur (Hob. I/102).

Und abgesehen von alledem sind die »Londoner Symphonien« schon dank ihres musikalischen Gehalts, ihres Esprits und ihres Erfindungsreichtums »kein geringer Erfolg« geblieben, um die Worte des Rezensenten noch einmal zu gebrauchen. Allerdings wissen Musikfreunde 200 Jahre später zwar, daß es zwölf Londoner Symphonien Haydns gibt, haben vermutlich auch Aufnahmen in ihren CD-Regalen stehen, aber im Konzertleben können sie höchstens ein Drittel dieser Werke immer wieder hören. Wirklich ins Repertoire eingegangen sind die
  • Nr.  94 G-Dur     »mit dem Paukenschlag«
  • Nr.  96 D-Dur     »The Miracle«
  • Nr. 101 D-Dur     »Die Uhr«
  • Nr. 103 Es-Dur     »mit dem Paukenwirbel«

  •     und allen voran

  • Nr. 104 D-Dur     »Londoner«
  • Letztere hat in den Konzertprogrammen und auf den Schallplattenhüllen den Namen »Londoner« seit langem für sich allein gepachtet.

    Daß auch die anderen Werke allesamt hörenswert sind, muß man nicht betonen.

    Ein → Blick in die Aufnahmegeschichte verrät, daß auch sie immer wieder exzellente Interpreten gefunden haben.

    Gesamtaufnahmen



    ↑DA CAPO