Symphonie Nr. 8 F-Dur op. 93
1812
Einfach besser als die Siebente sei diese Symphonie, meinte Beethoven einmal, als er gerade wieder in Rage weil, weil jemand die A-Dur-Symphonie der kürzeren, scheinbar leichtgewichtigen F-Dur-Symphonie vorzog.
Das Werk entstand sozusagen in einem Atemzug mit der A-Dur-Symphonie und Plänen zu einer weiteren Symphonie, die in C-Dur stehen sollte und mit Schlußchor auf Schillers Ode an die Freude geplant war - das Projekt wurde viel später in d-Moll/D-Dur realisiert, die Skizzen für das C-Dur-Werk gingen in die Ouvertüre Zur Weihe des Hauses ein.
Die Achte war in Teilen bereits 1810 skizziert worden, lag 1812 in Partitur vor, die Stimmensätze waren im Jahr darauf ausgeschrieben. Aber die Uraufführung ließ auf sich warten.
Inzwischen war die Siebente im Verein mit dem Schlachtengemälde Wellingtons Sieg zur Feier des endgültigen Sieges über Napoleon wiederholt zu hören gewesen - sie wurde populär, stand aber ebenfalls im Schatten eines anderen Stücks, eben des tönenden Schlachtengemäldes, das mit seinen Militärmärschen, Gewehrschüssen und Kanonendonner zu Beethovens Lebzeiten mit Abstand sein populärstes Werk bleiben sollte.
Auch die F-Dur-Symphonie litt unter der Breitband-Klangwirkung dieses Stücks, als sie zum ersten Mal im Rahmen einer großen Akademie Beethovens im Februar 1814 erklang. Mehr noch: Eingekeilt zwischen Wellingtons Sieg und die Siebente hatte sie in ihrer heiteren Gelassenheit eigentlich keine Chance, wirklich in ihren Feinheiten und skurril-schrulligen Details wahrgenommen zu werden.
Tänzerisch beschwingt, meist kraftvoll, durchwegs pulsierend geben sich alle vier Sätze. Auch das an zweiter Stelle stehende Allegretto scherzando mit seinen tickenden Metronom-Tönen ist nicht eigentlich ein »langsamer Satz«. Und das Finale gehört zum Rasantesten, das Beethoven notiert hat. Thayer beanstandet die nachträglich hinzugefügte Metronomisierung Beethovens (ganzer Takt = 84) - und erinnert an Robert Schumanns Vorgabe für das Finale seiner g-Moll-Klaviersonate: »so schnell wie möglich«, die gegen Schluß zu mit einem »noch schneller« konterkariert wird. Erstaunliche Effekte erzielt Beethoven dadurch, daß die beiden Pauken auf den gleichen Ton (ein tiefes und ein hohes F) gestimmt sind, was ebenso ungewöhnlich wie für diesen Komponisten nicht einmalig ist: Im Scherzo der Neunten begegnen wird demselben Phänomen.
Außenseiter-Tipp
Ein überzogenes Tempo ist übrigens für eine überzeugende Interpretation dieser Symphonie nicht erforderlich: Die Achte zählte zu den Lieblingssymphonien von Hans Knappertsbusch, der ein notorisch ruhiger Dirigent war - bei diesem Werk aber einen Humor spielen läßt, der den meisten »typische« Beethoven-Dirigenten abgeht. Auch ein Musikfreund, der in seinen Aufnahmen wenig Allegro und schon gar kein Brio entdecken kann, könnte inahltlich bei Knappertsbusch auf seine Rechnung kommen, weil er einige Pointen zu hören bekommt, die sonst in der Regel völlig untergehen.
Wer alles hören möchte, aber doch auf die gewohnten, meist brisanten Tempi nicht verzichten möchte, ist bei Bruno Walter und dem New Yorker Philharmonikern am besten aufgehoben: Hier gelang eine Wiedergabe, die dem Anspruch einer »großen Symphonie« genügt, ohne es an Transparenz und - im entscheidenden Moment - an Witz fehlen zu lassen. Die Durchführungs-Partien in den Ecksätzen durchglüht Walter mit dramtischem Temperament. Alles in allem wahrscheinlich die insgesamt befriedigendste Aufnahme im Katalog.
Kuriosum: Buhrufe im Musikverein
Die Interpretation der Achten durch die London Classical Players unter Sir Roger Norrington, 1995 im Wiener Musikverein, fiel so verstörend aus, daß es zum Abschluß Buhrufe gab, im Musikverein ein Kuriosum!
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