Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60
1806
Diese Symphonie könnte jene aus der Neunergruppe sein, die Beethoven am leichtesten gefallen ist. Jedenfalls vermuten die Biographen, sie sei quasi in einem Zug komponiert worden.
Das Manuskript trägt die Aufschrift
Sinfonia 4ta 1806 L. v. Bthvn.
In den erhaltenen Skizzenbüchern findet sich kein Dokument eines langen Arbeitsprozesses an den Motiven und Themen. Anders als bei der Fünften Symphonie, an der Beethoven nachweislich bereits 1805 zu arbeiten begonnen hatte.
Eine Notiz an den Verleger
Vielleicht ist es möglich, daß ich die Sinfonie vielleicht darf bälder stechen lassen, als ich hoffen durfte bisher, und dann können sie solche bald haben.
vom November 1806 könnte sich sogar auf die c-Moll-Symphonie beziehen, wie Thayer vermutet. Jedenfalls aber dürfte das B-Dur-Werk während der Arbeit an der Fünften sozusagen nebenher entstanden sein.
Die Uraufführung fand im Rahmen einer
Die Widmung an den oberschlesischen Grafen Oppersdorff erklärt sic aus einer Begegnung, die im Herbst 1806 stattgefunden haben muß. Beethoven reiste damals an der Seite seines Freundes Lichnowsky und besuchte Oppersdorff Stammsitz in Ober-Glogau, eine Tagesreise entfernt vom Schloß der Familie Lichnowsky.
Die Kapelle des Grafen Oppersdorff empfing den illustren Gast mit einer Aufführung seiner Zweiten Symphonie.
Mit dem Grafen blieb Beethoven noch lange in Kontakt. Unter anderem ließ er für ihn eine Abschrift der Fünften Symphonie anfertigen, die er ihm 1808 übersandte.
Die Uraufführung der Vierten machte freilich nicht die erhoffte Wirkung - vielleicht auch deshalb, weil sie in einem Konzert bei Lobkowitz am selben Abend wie die ersten drei Symphonien erklang, was doch entschieden auch für Kenner eine Überforderung dargestellt haben muß.
Die Bewertungen der B-Dur-Symphonie schwanken dann auch bei Fachleuten - und zwar über Jahrzehnte hin.
Schumann setzte das Werk in Verbindung mit der Eroica und der c-Moll-Symphonie, indem er sie mit einer »schlanken Maid zwischen zwei Nordlandriesen« verglich. Mendelssohn wählte die Vierte für sein Debüt-Konzert im Leipziger Gewandhaus, während Weber einen erstaunlichen Aufsatz über die Symphonie publizierte, in dem er Assoziationen wie Angstschreie verwendet.
Noch Herbert von Karajan bezeichnete die Vierte als besonders schwieriges Werk für den Interpreten - und Carlos Keiber schrieb in der Probenarbeit gern eine längst widerlegte These fort, nachdem vor allem der langsame Satz von Beethovens Verliebtheit während der Abfassung des Briefs an die Unsterbliche Geliebte künden sollte; mittlerweile weiß man, daß das aus Datumsgründen nicht möglich ist.
Doch kann, wie das Beispiel er Zweiten Symphonie lehrt, aus Lebensumständen nicht auf Beethovens Kunst schließen. Und tatsächlich, das spräche für Kleibers Theorie, ist die Adagio-Melodie »die langsamste ausgedehnte Kantilene, die Beethoven geschrieben hat«, wie Biograph Thayer das formulierte.
Der pulsierende Rhythmus der Streicher, immer wieder auch von der Pauke übernommen, treibt den Puls trotz der Adagio-Ruhe voran - und verleitet viele Dirigenten zur Unterteilung des Dreivierteltaktes in sechs Schläge; nach Richard Strauss eine Todsünde! (obwohl Beethoven nachträglich mit Achtel = 84 metronomisiert hat).