Ludwig van Beethoven      

Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21

1800

Beethoven hat sich Zeit gelassen für seine Erste Symphonie. Mochten spätere Generationen Angst vor dem »Tritt eines Riesen« verspüren, wenn sie nach ihm noch Symphonien schreiben wollten, er selbst hatte zwei Riesen hinter sich, deren Namen ihm schon der Graf Waldstein in sein Stammbuch schrieb, als er nach Wien aufbrach:

Mozarts Geist aus Haydns Händen

sollte er empfangen. Das war ein Auftrag, der nur mit äußerster Gewissenhaftigkeit günstig zu erledigen war.

Nun war es so weit: Nach Klaviertrios, Streichtrios, Klaviersonaten und Streichquartetten entstand das erste symphonische Werk.

Wie einst Mozart in seiner allerersten Violinsonate betrat der neue Mann quasi mit einer kunstvollen Pirouette die Szene: Eine Symphonie von Beethoven, die durfte nicht irgendwie anfangen, wie schon Hunderte Symphonien begonnen hatten.

Beethovens C-Dur-Symphonie beginnt - ein Schock für die Zeitgenossen - mit einer Dissonanz, mit einem Septakkord - und nicht einmal dem Dominantseptakkord der Grundtonart.

An diesem Auftakt stimmt also nichts, nimmt man die Konventionen in Acht.

Also hatte alles seine Richtigkeit: Die Aufmerksamkeit der Zuhörer war mit der ersten Sekunde gefesselt - und der Komponist hat alles getan, sie bis zum Ende seines Werks nie wieder loszulassen.

Es ist ihm gelungen.

Die Uraufführung fand im Rahmen einer Benefiz-Aufführung für den Komponisten statt, für die man Beethoven das Burgtheater samt dem dazugehörigen Orchester überließ.

Konzert-Ankündigung.

Nachdem eine K. K. Hoftheatral-Direction dem Herr Ludwig van Beethoven eine freye Einnahme im K. K. National-Hoftheater überlassen, so macht derselbe hiemit einem verehrenswürdigen Publicum bekannt, daß hiezu der 2. April bestimmt worden.

Logen und gesperrte Sitze sind sowohl den 1. als den 2. April bei Herrn van Beethoven im Tiefen Graben Nr. 241 im 3ten Stock, als auch beim Logenmeister zu haben und werden die Herrn Abonnenten, welche ihre Loge nicht behalten wollen, ersucht, solches dem Logenmeister bei Zeiten wissen zu lassen.

Das Programm wurde wie folgt angekündigt:



Heute, Mittwoch, den 2. April 1800 wird im Kai- serl. Königl. National-Hof-Theater nächst der Burg Herr Ludwig van Beethoven die Ehre haben eine große Musikalische Akademie zu seinem Vortheile zu geben. Die darin vorkommenden Stücke sind folgende:

1. Eine große Symphonie von weiland Herrn Kapell- meister Mozart.

2. Eine Arie aus des Fürstlichen Herrn Kapellmeister Haydens Schöpfung, gesungen von Mlle. Saal.

3. Ein großes Konzert auf dem Piano-Forte, gespielt und componirt von Herrn Ludwig van Beethoven.

4. Ein Sr. Majestät der Kaiserinn allerunterthänigst zugeeignetes und von Hrn. Ludwig van Beethoven componirtes Septett auf 4 Saiten- und 3 Blas-Instrumenten, gespielt von denen Herrn Schup- panzigh, Schreiber, Schindlecker, Bär, Nickel, Ma- tauschek und Dietzel.

5. Ein Duett aus Haydens Schöpfung, gesungen von Herrn und Mlle. Saal.

6. Wird Herr Ludwig van Beethoven auf dem Pianoforte fantasiren.

7. Eine neue große Symphonie mit vollständigem Orchester, komponirt von Herrn Ludwig van Beethoven.


Billets zu Logen und gesperrten Sitzen sind sowohl bei Herrn van Beethoven in dessen Wohnung im Tie- fen Graben Nr. 241 im 3ten Stock als auch beim Logenmeister zu haben.

Die Eintrittspreise sind wie gewöhnlich.

Der Anfang ist um halb 7 Uhr.

Die Reaktionen waren freundlich, aber keineswegs euphorisch. So schrieb der Korrespondent der Allgemeinen Musikalischen Zeitung - für das Vorgängerorchester der heutigen Wiener Philharmoniker nicht gerade schmeichelhaft:

Endlich bekam doch auch Herr Beethoven das Theater einmal, und dies war wahrlich die interessanteste Akademie sei langer Zeit. Er spielte ein neues Konzert von seiner Komposition, das sehr viel Schönheiten hat – namentlich die zwei ersten Sätze. Dann wurde ein Septett von ihm gegeben, das mit sehr viel Geschmack und Empfindung geschrieben ist. Er phantasirte dann meisterhaft, und am Ende wurde eine Symphonie von seiner Komposition aufgeführt, worin sehr viel Kunst, Neuheit und Reichtum an Ideen war; nur waren die Blasinstrumente gar zu viel angewendet, so daß sie mehr Harmonie als ganze Orchestermusik war.

Vielleicht können wir etwas gutes schaffen, wenn wir von dieser Akademie noch folgendes anmerken. Es zeichnete sich dabei das Orchester der italienischen Oper sehr zu seinem Nachtheile aus.

Erst – Direktorialstreitigkeiten. Beethoven glaubte mit Recht, die Direktion nicht Herrn Conti, und nie- mand besser als Herrn Wranitzky anvertrauen zu können. Unter diesem wollten die Herren nicht spielen.

Die oben gerügten Fehler dieses Orchesters wurden sodann desto auffallender, da B.'s Komposition schwer zu executiren ist. Im Accompagniren nahmen sie sich nicht die Mühe auf den Solospieler Acht zu haben; von Delicatesse im Accompagnement, von Nachgeben gegen den Gang der Empfindungen des Solospielers u. dgl. war also keine Spur. Im zweiten Theil der Symphonie wurden sie sogar so bequem, daß, alles Taktirens ungeachtet, kein Feuer mehr – besonders in das Spiel der Blasinstrumente zu bringen war. Was hilft bei solchem Benehmen alle Geschicklichkeit – die man den meisten Mitgliedern dieser Gesellschaft im mindesten nicht absprechen will? Welchen bedeutenden Effekt kann da selbst die vortrefflichste Komposition machen?

Aufnahmen

vMit einer Dissonanz steigt Beethoven ein ins symphonische Leben. Nichts anderes hatten die Zeitgenossen vermutlich von ihm erwartet. Da war einer, der alles auf den Kopf stellte, was bisher als Regel galt. Also: ein Dominantseptakkord anstelle eines Dreiklangs; noch dazu in einer „falschen“ Tonart. Symphonie in C-Dur nennt sich das Opus 21 - beginnt aber in F-Dur. Und das bleibt, weiß Gott, nicht die einzige Überraschung an diese Werk. Es ist voll von Fallstricken, Witz, tiefschürfender Gedanken - der Dialog mit dem Hörer wird zu einem intellektuellen Erlebnis. Nichts ist irreführender als die vielfach behauptete Nähe der ersten beiden Beethoven-Symphonien zu den Vorbildern Mozart und Haydn. Gewiß verdankt Beethoven den beiden viel, doch hat er seinen persönlichen Stil nicht erst mit der "Eroica", sondern schon mit dem Auftakt zur Ersten gefunden. Eine Aufnahme führt uns am besten in diese Welt, in der sowohl die souveräne klassische Formgebung als auch der hintergründige Humor, mit dem diese im selben Atemzug oft in Frage gestellt wird: Arturo Toscaninis Einspielung mit dem NBC-Orchester hat alle Virtuosität und technische Präzision, die es dazu braucht; und läßt im langsamen Satz auch den Melodiker Beethoven zu seinem Recht kommen.

↑DA CAPO