Sonate Es-Dur op. 81a

Jahr

  • Das Lebewohl: Adagio – Allegro
  • Abwesenheit : Andante espressivo. In gehender Bewegung, doch mit Ausdruck
  • Das Wiedersehen: Vivacissimamente. Im lebhaftesten Zeitmaße


  • Einzig seiner Es-Dur-Sonate op. 81a hat Beethoven Programm mit auf den Weg gegeben. Er, der im Zuge der ganz offenkundigen, bis hin zu Imitationen von Vogelrufen gehenden Nautschilderungen seiner Sechste Symphonie („Pastorale“) noch ausdrücklich auf der Partitur vermerkt: „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“, will dem Hörer hier ganz offiziell mit Tönen eine Geschichte erzählen.

    Die Sonate wurde 1809/10 komponiert und stellt Beethovens Gefühle bei der Abreise seines Schülers Erzherzog Rudolph von Österreich, aber auch die während der Rückkehr Rudolphs dar. Die Originalausgabe erschien mit deutschem und französischem Teil bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Sie enthält eine explizite „Inhaltsangabe“ des Werkes:
    Lebewohl, Abwesenheit und Wiedersehn. Sonate für das Pianoforte in Musik gesetzt und Seiner Kaiserl. Hoheit dem Erzherzog Rudolph von Österreich zugeeignet von L. v. Beethoven. 81tes Werk.
    Der französische Titel des Stirnsatzes, „Les Adieux“, gab dem Werk dann seinen allseits gebräuchlichen Namen.

    Historischer Hintergrund

    Erzherzog Rudolphs mußte wegen des Einmarschs der napoleonischen Truppen im Mai 1809 Wien verlassen. Die kaiserliche Familie floh nach Budapest und kehrte erst nach dem Friedensschluß im Jänner 1810 zurück. Beethovens verknüpft seine Komposition tatsächlich mit diesem Ereignis. Der Erzherzog stand ihm nahe und sollte auch weiterhin Initiator und Widmungsträger großer Beethvoenscher Schöpfungen bleiben: Die Hammerklaviersonate und die allerletzte der Sonaten, op. 111, sind ihm ebenso zugeeignet wie die „Missa solemnis“ und noch einige andere Werke. Der Name „Erzherzogstrio“ verweist sogar bis heute in der Praxis auf die engen Beziehungen zwischen dem Komponisten und Rudolph. In den Skizzen zum ersten Satz findet sich die Anmerkung „Der Abschied – am 4ten Mai – gewidmet und aus dem Herzen geschrieben S. K. H,“ also „Seiner Kaiserlichen Hoheit“.

    Das Originalmanuskript

    Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde findet sich das Originalmanuskript der Sonate, auf dem die Zueignung dann lautet:
    Das Lebe Wohl / Wien am 4ten May 1809 / bei der Abreise S. Kaiserl. Hoheit / des Verehrten Erzherzogs Rudolph.
    Daß über dem Finale zu lesen sein soll:
    Die Ankunft S. Kais. Hoheit des verehrten Erzh. Rudolph den 30. Januar 1810,
    ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich, aber nicht bewiesen.

    Das Manuskript ist verschollen.

    Das Abschieds-Motiv

    Berühmt geworden ist nicht nur der Titel dieser Sonate, sondern auch das Kopfmotiv des ersten Satzes, dessen langsame Einleitung mit drei absteigenden Klängen das Wort „Le-be-wohl“ in Musik setzt. Wann immer späterhin diese Tonfolge in der Literatur auftaucht, wird sie „Les-Adieux“-Thema genannt. Es beherrscht tatsächlich den gesamten Satz der Sonate und kann dem Musikfreund auch als wunderbares Objekt für analytisches Hören dienen, macht es doch im Laufe der musikalischen Erzählung erstaunliche Wandlungen durch. Schon der erste Eintritt wird von Beethoven nämlich harmonisch in ein sonderbares Licht gerückt. Das erwartete Es auf dem dritten Ton im Baß bleibt aus: Stattdessen suggeriert ein C tonale Ungewißheit – und bringt auf diese Weise den Verarbeitungsprozeß in Gang. Ein in die Höhe strebendes, den Quartruf in mehreren Wiederholungen weitendes Motiv antwortet, ehe der nächste Eintritt des Les-Adieux-Themas weitere harmonische Finessen mit sich bringt, indem es sich diesmal weder nach Es, noch nach C, sondern nach Ces auflöst. Dieses Spannungsfeld gebiert den Allegroteil, der zunächst von Varianten des sehnsüchtigen Quartrufs und bizarren Oktavsprüngen gekennzeichnet ist. Ein in dissonanter Akkordik aufsteigender Klageruf, gefolgt von einem repetierenden, trillerartigen Zweitonmotiv bringt einen neuen, schmerzlicheren Ton ins Spiel. Die folgenden Entwicklungen des Zweitonmotivs werden mehr und mehr von verlängerten Varianten des absteigenden Les-Adieux-Themas überlagert. Die Durchführung beginnt mit hektischen Varianten des Quartenrufs, der bis zum Eintritt der Reprise die musikalische Entwicklung dominiert, in allen möglichen Intervallen und Tonlagen jagt er durchs Geschehen. Er eröffnet auch die ausführliche Coda, die dann die Oktavsprünge und in weiterer Folge die merkwürdig ruhigen, liegenden Ganztöne thematisiert, die am Ende der Exposition erstmals zu hören waren. Diesmal werden sie nicht von den hektischen Emanationen des Quartrufs hinweggefegt, sondern münden ganz natürlich in weitere Varianten des Les-Adieux-Themas. Endlich erklingt es zum Abschluß in seiner sozusagen „natürlichen“ Form: Es mündet in der Grundtonart Es-Dur.

    „Andantino expressivo. In gehender Bewegung, doch mit viel Ausdruck“ lautet die Vortragsbezeichnung für den Mittelsatz, der ganz dem Schmerz während der Abwesenheit des Freundes hingegeben scheint. Schon die Rhythmik des Hauptmotivs läßt seine Verwandtschaft zum Quartmotiv des Stirnsatzes erkennen. Scharf chromatisierte Modulationen und eine immer intensivere Auszierung des melodischen Verlaufs mit zum Teil geradezu hysterisch überzogenen Koloraturen machen die Musik zum exzessiven Psychogramm.

    Musik im Krieg

    Worüber der Komponist hier klagt, bleibt zweideutig. Denn seine persönliche Situation litt – jenseits der Frage, ob der ihm freundschaftlich attachierte Erzherzog in Wien anwesend war oder nicht – unter der Situation in der Reichshauptstadt. Die napoleonischen Truppen waren einmarschiert und in einem Brief an seine Verleger Breitkopf & Härtel schreibt Beethoven auch über das „zerstörende, wüste Leben“, das von „nichts als Trommeln, Kanonen, Menschenelend aller Art“ beherrscht war. Wie auch immer, der Trauergesang wird auf seinem Höhepunkt von einem schneidenden Dominantseptakkord unterbrochen: Die avisierte „Rückkehr“ reißt den Klagenden aus seiner Resignation. Eine zehn Takte lange, zweimal ansetzende Eruption auf ein underselben Harmonie leitet den Es-Dur-Triolenjubel des rasanten Finalsatzes ein. In wirbelnder Bewegung erreichen wir die aus dem ersten Satz erinnerlichen Oktavsprünge, die sich jetzt, unharmonisiert, in übermütig durch die Register hüpfenden Dreiklangsbrechungen verwandeln, dieserart ein neues Thema bildend, das sogleich über pochenden Begleitakkorden in übermütig verzierter Gestalt noch einmal präsentiert wird. Als Abspaltung zeigt sich gegen Ende der Exposition noch ein seufzerartig abwärtsgezogenes Motiv, das gleich zu Beginn der Durchführung in melodische Anklänge an die melancholischeren Seite der Sonate verwandelt wird. Daß sich diese nicht durchsetzen, versteht sich. Die Entwicklung setzt sich stürmisch fort, findet nach allerlei mit leichter Hand ausgeführten, aber doch wahrnehmbaren kontrapunktischen Künsten in eine regelrechte Reprise.

    Nur ganz am Ende des Satzes wird das Freudenthema noch einmal poco andante in sanfterem Tonfall präsentiert. Ein retardiernder Moment vor det erwarteten exzessiv aufrauschenden Kadenz.



    ↑DA CAPO