Sonate f-Moll op. 57

1804/05

  • Allegro assai – Più Allegro
  • Andante con moto – attacca
  • Allegro ma non troppo – Presto


  • Die f-moll-Sonate op. 57, zwar nicht von Beethoven, aber höchst zutreffend «Appassionata» genannt, entstand 1804/5 und kam 1807, dem Grafen Brunsvik gewidmet, in den Handel.

    Beethovens Phantasie

    Ihr Beginn kann als eines des einleuchtendsten Dokumente für die Technik dieses Komponisten angesehen werden, aus unscheinbarstem Motivmaterial ökonomisch und mit unbändiger Phantasie große Formen zu entwickeln. Eine zuerst in die Tiefe. dann wieder aufsteigende Dreiklangszerlegung eröffnet. Ihr folgt ein prägnant rhythmisierte, mit einem Triller versehenes Kadenzmotiv. Das genügt, um einen der dramatischsten Sonatensätze zu zeugen, die Beethoven geschaffen hat! Faszinierend, dem Prozeß des Werdens, Wachsens und der Verwandlung zu folgen. Der eben geschilderte, in f-moll vorgestellte Viertakter wird um einen Halbton versetzt, in Ges-Dur wiederholt. Die Kadenz spaltet sich ab. Das punktierte Viertonmotiv, das ihr im Baß antwortet, ist nichts als eine Metamorphose ihrer Schlußwendung: Der Triller, dem ein figurierter Sekundschritt abwärts folgt, wird in drei pochende Töne verwandelt. Dieses Klopfzeichen wird selbständig, löst sich vom Kadenzmotiv, schnellt in die Höhe und entlädt seine Energien in jäh abstürzende Kaskaden, die wiederum aus den eingangs so ruhig präsentierten Dreiklangszerlegungen bestehen.

    Innerhalb von 16 Takten hat Beethoven also Thesen und Antithesen aus demselben musikalischen Material gewonnen.

    Die Abfolge von Ruhe und äußerster Erregung produziert in den nächsten Takten sogleich erstaunliche Hybridbildungen aus dem ruhigen Themenkopf und der aufgescheucht hochfahrenden Varianten des Dreiklangsmotiv. Die pochenden AchtettÖne kehren wieder, verwandeln sich in ein hysterisches Kontinuum, umzuckt von Akkorden in allen Lagen. Was danach wie ein tyrisches Seitenthema klingt ist eine weitere Variante der Dreiklangsmotivik. Es löst sich in Triller auf und geht in eine leidenschaftlich brodelnde Variante seiner ursprünglich stillen Schlußgeste über. In as-moll schließt die Exposition. Durch enharmonische Verwechslung findet sich das Dreiklangsthema in seiner ursprünglichen Gestalt plötzlich in gis-moll, dann in E-Dur wieder: Der Modulationsprozeß der Durchführung hat begonnen, bedient sich zuerst der Themen in ihrer ersten Version, hetzt das Dreiklangsmotiv dann durch die harmonischen Lande, zunächst in seiner Urgestalt, dann in der lyrischen Seitenthemen Variante. Dazwischen manifestieren sich immer wieder Erinnerungen an die pochenden Achtel. die am Ende insistierend in Höhen- und Tiefenlagen ihr Wesen treiben. Über repetierten Achteln tritt auch die Reprise ein. Die Coda beherrscht zudas lyrische Thema. Aus hektischen, fahrigen Figuratauchen, ermattend, wieder die pochenden Achtel auf. Sie führen zum Stillstand, dann aber gleich wieder zum fortisherausgeschleuderten Furioso, das sich vom erneut auftretenden Seitenthema nicht vertreiben nur besänftigen läßt. In äußerster Unruhe, aber dreifachem Piano schließt das Allegro.

    II

    Vier Variationen über ein schreitendes Akkordthema - wie Beethoven es später etwa im Allegretto seiner Siebenten Symphonie verwenden wird - bilden das Andante. Synkopisch verzerrt erscheint das Thema in der ersten, sanft umspielt in der zweiten und von heftigen Zweiunddreißigsteln vorangetrieben in der dritten Variation. Die vierte rundet das Andante nach den durchaus stürmischen Entwicklungen reprisenartig, ruhig, aber mit behutsamen Zurechtrückungen - und einem offenen Schluß mit zwei Akkordarpeggien, auf die übergangslos mit grellen, prägnant rhythmisierten Dissonanzen das Finale folgt. Dem brüsken Beginn antworten einige fragmentarische Sechzehntelläufe, aus denen sukzessive ein Perpetuum mobile herauswächst.

    Die linke Hand präsentiert unter dieser ständig bewegten Oberfläche ein von etlichen Pausen unterbrochenes, doch zusammenhängendes Thema, das im wesentlichen das melodische Material enthält, aus dem der Satz, der unablässigen Sechzehntelbewegung sozusagen zum Trotz, zum zusammenhängenden Ganzen gebildet wird. Man kann, wenn man will, mit einiger Mühe in dem Thema ein weiteres Derivat des Variationenthemas aus dem Andante erblicken. Tatsächlich ähneln einander jedenfalls einige der folgenden, von wild repetierten Staccato-Akkorden gekennzeichnete Passagen verwandten Stellen in der bewegtesten Variation des Mittelsatzes. Hier droht die Motorik jedoch nie mehr abzureißen. Nur einen Moment gegen die Mitte des Finales zu, bricht das Gewoge in sich zusammen, kommt zum Stillstand, um aber sogleich mit einer durchaus als Reprise zu wertenden Passage wieder anzusetzen. Bemerkenswert, daß die Bewegung zum Abschluß noch gesteigert wird. Presto hebt eine stampfende »stretta« an (vielleicht die letzte Variante des Variationenthemas?), die das Geschehen noch mehr anheizt und die Sechzehntelbewegung zuletzt zur haltlosen Raserei anstachelt. Wilder, ungezügelter schließt wohl keine klassische Sonate.

    ↑DA CAPO