Sonate F-Dur op. 54
Jahr
In tempo d'un Menuetto
Allegretto - piu allegro
Beethovens Rätsel
Wenn der Meister alle titanische Größe abstreift und scheinbar unkompliziert, ja geradezu leicht daherkommt, versagt die Weisheit der Beethoven-Exegeten regelmäßig gründlich. Als ob es in den 32 Sonaten nicht genügend Beispiele auch für den lockeren, geradezu verspielten Künstler gäbe, stehen die Kommentatoren angesichts der zwischen zwei Heroenstücke wie der „Waldsteinsonate“ und der „Appassionata“ eingebetteten F-Dur-Sonate op. 54 vor einem Rätsel. Fast entschuldigend schreibt Beethovens Schüler Carl Czerny über den Beginn: Dieser Satz weicht ganz von der gewöhnlichen Sonatenform ab, und ist in einem gewissermaßen alterthümlichen, aber doch originellen geistvollen Style geschrieben.
1. Satz
Halten wir uns ans Geistvoll-Originelle: Zwei Sätze schreibt Beethoven, beide in mildem Allegretto-Tempo gehalten, beide geradezu im augenzwinkernden Unschuldston modelliert. Zumindest für den, der nur auf die ersten Takte blickt. Aber schon im Stirnsatz, der ausdrücklich nicht als Menuett, sondern „In tempo d’un Menuetto“ bezeichnet ist, findet sich bald nach dem zartfüßig tänzelnden Beginn die erste Überraschung. In stampfenden, durchaus rasanten Oktaventriolen macht sich derbe Tanzbodenstimmung breit. Das ist der selbe Beethoven, der zu jener Zeit auch die hintergründige, in ein veritables Gewitter mündende Bauernszene der „Pastorale“ schreibt. Wie dort die grollenden Donner in die Ländlerszene hereinbrechen, gerätt auch hier die derb forcierte Bewegung ins Stocken. Die kesse Schlußgeste des ungeschlachten Tanzes irrt verloren im Tonraum umher, sucht nach Anschluß und beginnt dann im Baß zu rumoren. Aus solch gefährlich drohendem Urgrund kehrt das Menuett-Thema zurück, so abgezirkelt feinsäuberlich drapiert, als wäre nichts geschehen. Freilich: Die stampfenden Triolen lassen sich nicht abschütteln, brechen erneut herein, kommen zum Stillstand, lassen das Menuett noch einmal gewähren. Es tönt jedoch jetzt verwirrt, von allerlei Rankwerk überwuchert, verliert sich in verzückten Trillern und einem plötzlich retardiertem Rezitativ. Danach gehen Triolenbewegung (im Baß) und Menuett-Melodie ein Stück Wegs gemeinsam. Die hämmernden Gesten haben aber das Schlußwort. 2. Satz
Auch das Allegretto – eine Toccata, ein Rondo, ein Sonatensatz war es bei verschieden Kommentatoren schon – konfrontiert uns unter der stetig bewegten, hurtig dahineilenden Oberfläche mit subtilen Details. Da ist die Tatsache, daß der Komponist ausdrücklich „dolce“ über die Sechzehntelpassagen des Beginns schreibt, daß er sie des öfteren kontrapunktisch feinsinnig gegeneinander absetzt, daß er den gesamten Satz über chromatische Verfärbungen und Irritationen zuläßt, die das muntere Treiben gehörig beleben, würzen und die Spannung erhalten. Mag sein, solche Musik ist in ihrer verschmitzten Aussage nicht von so heroischem Zuschnitt wie die parallel entworfenen Stücke zwischen Appassionata und Eroica. Minder anspruchsvoll ist sie deshalb jedoch gewiß nicht.
↑DA CAPO