Sonate C-Dur op. 53

Jahr

  • Allegro con brio
  • Introduzione. Adagio molto – attacca
  • Rondo. Allegretto moderato – Prestissimo


  • Die C-Dur-Sonate, entstanden in den Jahren 1803/04, verdankt ihren Namen dem Widmungsträger. Graf Ferdinand (Ernst Joseph Gabriel) Waldstein hatte den jungen Beethoven bereits in seiner Bonner Zeit gefördert und war nicht unerheblich daran beteiligt, daß der Komponist nach Wien entsendet wurde. 1805 erschien die Sonate im Wiener „Bureau des arts et d’industrie“ unter dem Titel
    Grande Sonate pour le Pianoforte, composée et dédiée à Monsieur le Comte de Waldstein Commandeur de l’ordre Teutonique à Virnsberg et Chambellan de Sa Majesté J. & J. R. A. par Louis van Beethoven. Op. 53.
    Das Stück war dreisätzig geplant, aber Beethoven hat das als Mittelsatz vorgesehene Andante in F-Dur ausgeschieden und später als Einzelstück unter dem Titel „Andante favori“ in Druck gegeben.

    Statt des langsamen Mittelsatzes steht nun eine kurze „Introduzione“, molto adagio, vor dem Rondo-Finale.

    Zwei rasche Sätze mit Intermezzo

    Somit finden wir in diesem Werk eine Abfolge von zwei gewichtigen raschen Sätzen, die nur durch einen kurzen Adagio-Einschub voneinander getrennt sind. Legendär sind die pochenden C-Dur-Staccati des Beginns über denen sich die flüchtigen Figuren nach und nach zum ersten Themenkomplex verdichten. Dem virtuosen, aus mehreren anschwellenden und wieder abebbenden Steigerungsbögen gebildeten Beginn folgt das ruhige akkordische Seitenthema. Beethoven wirft hier wieder einmal viele Gestzmäßigkeiten der klassischen Sonatenform über den Haufen, rückt diese Antithese nach E-Dur, ohne die Dominante der Haupttonart jemals zu festigen. Am Ende der Exposition, die in wirbelnder Bewegung im E-Dur-Bereich verharrtm moduliert er vielmehr (völlig dem Gewohnheitsrecht zuwiderhandelnd) nach C-Dur zurück. So tritt die Durchführung hier, ungewöhnlich genug, in der Grundtonart ein, jagt das flüchtige Motivmaterial des ersten Themas jedoch in der Folge durch die entferntesten Tonarten, ehe das Geschehen sich in den Baßregionen zu verlieren scheint. G-Dur, die Dominante ist endlich erreicht, aus brodelnden Tiefen schießen die Versatzstücke des Hauptthemas in die Höhe. Die Reprise wird in einem gigantischen Crescendo aus diesen immer mehr sich verdichtenden Motivpartikeln erreicht – ein Modell, das wenig später im Stirnsatz der Vierten Symphonie ähnlich überwältigenden Effekt machen wird. Harmonisch spannend gelöst ist die Wiederkehr des akkorischen Seitenthemas, das nun zunächst in A-Dur steht und bald nach Moll gerückt wird. So rückt Beethoven die tonalen Beziehungen zurecht: Was in der Exposition wie ein mildes Aufblühen eines fernen Lichts wirken mag, wendet sich hier rasch in die Tonikaparallele a-Moll. Extrem ausgeweitet gegenüber früheren Beethoven-Sonaten scheint in der Waldstein-Sonate die Coda. Sie mausert sich – wie es exemplarisch etwa auch in der etwa gleichzeitig entstandenen „Eroica“ geschieht – zu einer zweiten Durchführung. Die letzte Wiederkehr des Akkordthemas changiert faszinierend zwischen den zuvor angespielten Tonarten, C-Dur, a-Moll und (dazu dominantisch) E-Dur. Die pochenden Achtel führen zu den bombastischen Schlußakkorden.

    Intermezzo als »Introduktion«

    > Die folgende „Introduzione“, ruhiges Mittelstück der Sonate, behält den ursprünglichen tonalen Plan Beethovens bei: Sie setzt in F-Dur ein, führt uns zunächst rezitativisch das von punktierten Rhythmen geprägte motivische Material vor, das sich dann, von fordernden dynamischen Akzentuierungen vorangetrieben, zu einer stark synkopierten, unruhigen melodischen Linie entwickelt, zuletzt aber wieder in seine Einzelbestandteile zerlegt wird. Diese wachsen in insistierender Aneinanderreihung zu einem bedrohlichen Klanggebäude an, fallen dann wieder in die anfängliche Stille zurück. Sie verströmt jetzt, nach den dramatischen Vorgängen, nicht mehr den Eindruck der Ruhe, sondern den gespannter Erwartung: sempre pianissimo, duftig und schwebend hebt das Rondo-Finale an.

    Was in der „Introduktion“ nicht gelang, fällt den Klängen hier scheinbar mühelos zu: In großem Bogen entfaltet sich über mehr als zwanzig Takte die weit geatmete C-Dur-Kantilene, wird in der Folge noch ausgebaut, weiter gesteigert und mündet in eine von einem langanhaltenden Triller getragene Kadenz-Episode. Unter quirligen Triolengängen schafft eine in Staccato-Oktaven vorgetragene Baß-Melodie Kontrast. Unbegleitet meldet sich das Kopfmotiv des Rondos zurück, die zu Beginn so sanft hingetupften initiierenden Baßtöne verwandeln sich in fordernde Fortissimi, bis sich aus dem wieder erreichten Pianissimo die duftige Anfangsstimmung wieder konstituiert. Wütender als zuerst, kehren die kontrastierenden Baßoktaven wieder. Diesmal in c-Moll und von jagenden Figuren begleitet. Entsprechend forsch gerät der Übergang zum Hauptthema diesmal: nackte Fortissimo-Oktaven zunächst, dann eine harmonisch verzerrte, akkordische Version des Rondothemas. Nach den überstandenen Gewittern muß die Reprise mit einer regelrechten Durchführung des Motivmaterials erkauft werden. Als ob die Versatzstücke der Rondomelodie erst wieder finden müßten, erleben wir zunächst den zögerlichen Aufbau der einleitenden Tonrepetitionen, im Baß, von der Oberstimme in mysteriöse Pianissimo-Regionen entrückt, tastet er sich durch die Tonarten, bis endlich in strahlendem, kraftvoll ausschwingendem C-Dur die endgültige Reprise erreicht ist. Eine akkordische Version des repetierenden Anfangstaktes figuriert auch als Überleitung zur Coda, versinkt in fast geflüstertes dreifaches Piano, ehe das Rondothema eine launig überstürzte Prestissimo-Orgie vom Zaun bricht. Auch hier kehren, breit und hymnisch über ganze Takte gezogen, die Repetitionen wieder. Und als ob zum Abschluß dem Pianisten noch ganz bewußt eine artistische Verbeugung vor dem Publikum gegönnt werden müßte, bereiten virtuose Oktavgänge und Trillerketten die Schlußkadenz vor. Wie könnte es anders sein: Auch sie bedient sich noch einmal des zuletzt allgegenwärtigen Repetitionsmotivs. Natürlicher Ausdruck, Dramatik, gehen beim mittleren Beethoven Hand in Hand mit strengster, ökonomischer formaler Organisation.

    ↑DA CAPO