Sonate d-Moll op. 31/2

1802

  • Largo – Allegro
  • Adagio
  • Allegretto


  • Anton Schindler, Beethovens Adlatus, ist zwar in vielen Fällen keineswegs zuverlässig, aber hier könnte er die Wahrheit berichtet haben:
    Lesen Sie Shakespeares's Sturm
    soll der Komponist auf die Frage nach dem poetischen Gehalt der d-Moll-Sonate gesagt haben. Wie auch immer: Daß es hier nicht einfach um tönendes Formenspiel geht, sondern um die musikalische Erzählung einer dramatischen Handlung, ist offenkundig. Immerhin geriert sich die Musik zwischendurch ganz opernhaft, als ob ein Rezitativ gesungen würde, zu dem wir nur den Text nicht genau kennen.

    Schon der Beginn der Sonate vereint auf engstem Raum völlig unterschiedliche Charaktere, vom ruhevoll aufgefächerten Anfangsakkord bis zu den hektisch-flüchtigen Bewegungen im Diskant, die - wie eine Frage - in eine retardierende Schlußbildung mündet: Aus den umklammernden Elementen dieses Sonatenbeginns schöpft Beethoven das Allegro-Hauptthema: Ein zerlegter Akkord im Baß, eine Veriante des »Fragemotivs« in der Oberstimme. In solch abenteuerlichen Verwandlungen geht es fort - ob es Shakespeares zapellige Miranda und der weise Prospero sind, die hier in Dialog treten, muß dahingestellt bleiben: Beredte Charaktere schildert die Musik jedenfalls.

    Ungewöhnlich genug, beginnt der Mittelsatz mit derselben Akkordzerlegung wie der erste - allerdings einen Halbton nach oben gerückt: In B-Dur steht das Adagio - vergleichsweise abgeklärt-meditativ beginnt es in hoch gewölbtem melodisch Bogen, bedrohlich trommelnde Bässe tragen dann einen dunkel getönten Choral, ehe ein akkordisches Thema versöhlich-tänzerisch einherschwebt - die drei Teile kehren verwandelt wieder, die große Melodie ausgeziert, Choral und Akkordthema harmonisch aufgeladen und gespannt - die Energie für das Finale ballt sich: Und entlädt sich in einem unablässigen Perpetuum mobile, das in ungebremster Energie einem höchst ungewissen Ausgang zustrebt: Die Musik verliert sich im Pianissimo - hinterläßt den Hörer ratlos: Ist da wirklich alles gesagt? Der theatralische (shakespearische) Spuk könnte auf anderer Ebene weitergehen - unhörbar für uns.

    ↑DA CAPO