Sonate G-Dur op. 31/1

1802

  • Allegro vivace
  • Adagio grazioso
  • Rondo. Allegretto – Adagio – Presto


  • Vielleicht ist das die heiterste Sonate in der 32er-Gruppe - und das obwohl sie in einer Zeit entstand, die Beethoven in verzweifelter seelischer Verfassung zeigte: Wenige Wochen nachdem er den Schlußstrich hinter dieses hintergründig-amüsante Stück setzte, verfaßte er sein »Heiligenstädter Testament«!

    Der Sonate hört man das so wenig an wie der etwa gleichzeitig entstandenen Zweiten Symphonie. Sie ist, wenn man so will, Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau, steckt voller Pointen und Überraschungseffekte. Wobei die Überraschung oft auch in plötzlichen melancholischen Verdunkelungen bestehen können, wie im Falle des lustigen Seitenthemas im Kopfsatz, das wie ein Gassenhauer klingt, mit einem Mal aber nachdenklich nach e-Moll ausweicht . . .

    Selbst die pianistische Virtuosität setzt Beethoven in karikaturhafte Konkurrenz zu den allseits beliebten, aber gleichzeitig verlästerten Koloraturvirtuosität der Opernsänger: Im Adagio, das ungewöhnlicherweise mit der Zusatvorschrift: grazioso versehen ist - was bei diesem Tempo so gut wie nie vorkommt und schon einen Schuß Ironie enthält - erleben wir ein veritables Opernduett: Primadonna und Primo Uomo wetteifern im Koloraturzirkus, der sich wie eine Parodie auf die Musiktheater-Italianità zuspitzt. Dabei war noch gar keine Rede von jenem »Rossini-Rummel«, über den sich Beethoven später so ärgern sollte.

    Raffiniert verschmilzt Beethoven im Finale dieser Sonate die Rondoform mit dem Sonatenprinzip: Das Hauptthema fungiert als Refrain, das Seitenthema und die Durchführung bilden die »Couplets«. Die geistreichen dramaturgischen Volten dieses Werk runden sich auf diese Weise stimmig. Und sie haben noch einmal einen parodistischen Unterton: Rudolf Buchbinder hat angelegentlich darauf hingewiesen, daß Beethoven hier auf Boccherinis berühmtes Menuett anspielt, das schon damals ein Schlager war - und später im Film „Ladykillers“ von Alexander Mackendricks (mit Alec Guinness und Katie Johnson, 1955) eine Rolle spielen sollte - weshalb bei Buchbinders die Beethoven-Sonate nur noch Ladykiller-Sonate genannt wird . . .

    ↑DA CAPO