Sonate cis-Moll op. 27/2

Jahr

  • Adagio sostenuto – attacca
  • Allegretto
  • Presto agitato

  • Der verliebte Beethoven

    Zwar war die Gräfin Giulietta Guicciardi gewiß nicht die legendenumwobene „unsterbliche Geliebte“ Ludwig van Beethovens, jedenfalls aber eine junge Dame, zu der der Meister eine tiefe Zuneigung empfand. Dem unstandesgemäßen Werben konnte und wollte Giulietta freilich nicht nachgeben. Sie heiratete 1803 den – übrigens ebenfalls komponierenden Grafen Wenzel Robert Gallenberg. Wie auch immer: 1801 war die Liebe Beethovens zu dem Mädchen voll entbrannt und fand, so vermuten die Biographen, ihren Niederschlag in den Klängen der cis-Moll-Sonate.

    Mythos »Mondscheinsonate«

    Es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß der Poet Ludwig Rellstab – von dem Schubert später in seinem „Schwanengesang“ einige Gedichte vertont hat – die romantische Assoziationslust der Zeitgenossen auf die Spitze trieb und im einleitenden Adagio sostenuto das Widerspiegeln des Mondlichts in den sanften Wellen des Vierwaldstädtersees erkennen mochte. Von daher hat das Werk seinen Namen: „Mondscheinsonate“. Und erst unsere ganz unpoetische Zeit stößt sich daran. Ob nun Mondenschein am See oder sonst welche verklärenden Assoziationen: Die Musik ist von entrückter Schönheit, daran ist nicht zu rütteln. Beethoven selbst soll behauptet haben, sie nachts am Totenbett eines Freundes improvisiert zu haben. Wenn dieses Zitat stimmt, dann ist es jedenfalls um nichts weniger programmatisch als die Naturstimmung, die Rellstab suggeriert. Nur makabrer.

    Die über den gleichmäßigen Triolen schwebenden, punktierten Rhythmen der Melodie – sie entfernt sich nur mühsam von ihrem Zentralton Gis – kann tatsächlich Assoziationen zu einem Trauermarsch wecken. In großer Ruhe treten die Oberstimme und der langsam bewegter werdenden Baß in einen sanften Dialog. Von eminenter Bedeutung in diesem Satz ist jedoch die triolische Mittelstimmen. Ob Wellenschlag oder nicht, sie scheint zunächst begleitendes Figurenwerk, wird aber nach und nach belebter, überschreitet ihren Dreiklangsambitus immer weiter und durchmißt gegen die Mitte des Satzes zu drei Oktaven, ehe die Anfangsstimmung wiederkehrt. Das kündet von innerer Unruhe und verleiht dem Satz, der andernfalls zum belanglosen Stimmungsbild erstarrte, innere Dynamik. Zuletzt, wenn die punktierten Rhythmen in den Baß gesunken sind, bewegen sich die Triolen völlig befreit durch den Klangraum. Sie haben einen bemerkenswerten Entwicklungsprozeß vom gefesselten Begleitmuster zum selbständigen melodischen Element durchgemacht.

    Eine „Blume zwischen zwei Abgründen“ sah Franz Liszt im Allegretto-Mittelsatz der „Mondscheinsonate“. Bemerkenswert, daß Beethoven den Grundton während des gesamten Werkes beibehält. Statt tonikaler Abwechslung schreibt er nun – enharmonisch das Cis umdeutend – ein Menuett in Des-Dur. Es wartet indes bei aller Unkompliziertheit mit einigen Besonderheiten und einheitstiftenden Verknüpfungen auf. So beginnt der zweite Abschnitt mit einer durchaus lamentierenden chromatischen Eintrübung, die zu verursachen scheint, daß die Wiederkehr des Hauptmotivs metrisch verschoben in Synkopen eintritt. Diese Synkopen wiederum beherrschen auch das ein wenig derb und ländlerartige Trio.

    Aus dem „zweiten Abgrund“ des Presto agitato herauf stürmen sodann wieder in cis-Moll die raketenhaften, jeweils in zwei Staccatoakkorden sich entladenden Angriffe eines Themas, das seinen Bewegungsdrang in brodelnden Sechzehnteln auch noch unter das elegische gis-Moll-Gegenmotiv zu schieben scheint. Getrieben, unstet bleibt der Charaker der Musik auch weiterhin, gestoßene Akkordrepetitionen, bald zu atemlosen Motivfragmenten verkürzt, bringen mehr Hektik als zuvor. Mit dem Gegenthema bestreitet Beethoven dann die Durchführung, einmal mit schreckhaft geweiteten, dann wieder zusammengezogenen Intervallen, ehe die Akkordrepetitionen zur Reprise führen. Über diese Hinaus treibt der Furor der Bewegung in improvisatorische Akkordzerlegungen, und eine regelrechte, virtuose Kadenz dem Schluß zu. Wiederholte Zitate des lyrischeren Gegenthemas bringen keine Auflösung der Spannung. Eruptiv, wie der Satz begonnen hat, setzt er auch seinen Schlußpunkt.

    ↑DA CAPO