Sonate As-Dur op. 26

Jahr

  • Andante con Variazioni
  • Scherzo. Allegro molto
  • Marcia funebre sulla morte d’un Eroe. Maestoso Andante
  • Allegro


  • An der As-Dur-Klaviersonate hat Beethoven über Jahre hin gearbeitet. Erste Skizzen dürfte er bereits Mitte der neunziger Jahre entworfen haben. Die endgültige Gestalt erhielt die Komposition aber erst in den Jahren 1800 und 1801. Das Werk nimmt eine Ausnahmestellung ein. Denn es enthält keinen einzigen Satz in Sonatenhauptsatzform. Vielmehr greift Beethoven ein suitenhaftes Konzept auf, das ausgehend von einem Variationensatz über ein Scherzo und einen Trauermarsch zum Finalrondo führt. Aus dem Fehlen der klassischen Sonatenform auf größere Leichtigkeit zu schließen, wäre jedoch verfehlt. Der Komponist wirft traditionelle Formschemata über Bord, weil er offenkundig neue, persönlichere Aussagen zu machen gedenkt. Überdies sorgt er auch architektonisch für Einheitlichkeit, denkt werkübergreifend und verknüpft daher die einzelnen Sätze durch mannigfache innere Beziehungen.

    So führt uns der Einleitungssatz bereits von einem schlichten Thema über eine brillante, von verschnörkelten Figurationen umspielten zu einer hektisch trommelnden Variation, die das Thema staccato im Baß führt, um in eine von Synkopen und Sforzati durchzogenen as-Moll-Variante zu münden. Die Tonart, selten in jener Zeit, weist bereits auf den Trauermarsch voraus, der an dritter Stelle der Sonate steht und relativiert auch viel von dem lockeren Tonfall des Beginns. Rückwirkend bemerken wir, daß schon das Thema in seinem Mittelteil seufzende Akzente enthielt, die nun auch in Variation Nummer vier, wenn auch in lichterer harmonischer Umgebung, ausgespielt werden. Chromatische Passagen durchsetzen auch die abschließende, flüssig dahinperlende Variation.

    Aus ihrem Pianissimoschluß wächst die duftige Stimmung, in der das Scherzo einsetzt. Es beginnt eigentlich mit einer Kadenz in Es-Dur und wendet sich erst im zweiten Abschnitt des Themas der Haupttonart zu. Das verstärkt den schwebenden Charakter der Musik, die nach und nach zu heftigerer Akzentuierung findet, sich aber plötzlich in einem fortwährend, nur periodisch anders harmonisierten Takt festzulaufen scheint, ehe das Scherzothema, zunächst im Baß, dann wieder in der Oberstimme wiederkehrt, heftig umflutet von einer stürmisch Achtelbewegung. Das Trio (Des-Dur) bildet in wiegender Bewegung einen Ruhepol.

    Programmatischen Charakter hat dann offenkundig der Trauermarsch „auf den Tod eines Helden“ in der raren, hier aber bereits im ersten Satz beziehungsvoll angespielten Tonart as-Moll. Wie später in der Siebenten Symphonie baut der Satz auf einem vor allem rhythmisch prononcierten Thema auf, das wenig melodisches Profil annimmt. Das Schreiten, der Marsch an sich wird zum Thema. Bildhaftigkeit dominiert vollends im Mittelteil, der mit Tremoli und Fortissimoakkorden die Trommelwirbel und Fanfaren (oder Böllerschüsse?) einer feierlichen Zeremonie heraufbeschwören. Das ist freilich Programm-Musik, auch wenn der Komponist außer dem Titel keine präziseren Angaben gemacht hat. Mit dem späteren Trauermarsch der „Eroica“ eint dieses verhältnismäßig vordergründige Bild lediglich die Tatsache, daß auch dort der emotionelle Höhepunkt in Dur erreicht wird. Aus dem Marsch der Sonate hat man zwar wiederholt eine künstlerische Verarbeitung der Greuel der napoleonischen Kriege herausgehört. Beethoven selbst hat aber um die weniger psychologisierende denn plakativ theatralische Wirkung seiner Komposition gewußt: 1815 orchestrierte er sie und band sie als szenisches Schlußtableau in die Bühnenmusik zu Friedrich Dunckers „Leonore Prohaska“ ein. Übrigens vergebens, denn die Zensur verbot die Aufführung dieses Dramas.

    Kostbar bleiben an diesem dritten Satz der Sonate jedenfalls die Schlußtakte, die nach der Wiederholung des Marsch-Teils von schmerzlichen chromatischen Färbungen getrübt in resignierendem As-Dur verdämmern. Das schlägt die Brücke zum Finale, das sich in einem riesenhaften Bogen aus leisen Sechzehntefigurationen erhebt, in fortdauernder Bewegung zunächst mühevolle Modulationsprozesse vollzieht, der Haltepunkt in Es-Dur wird lang vorbereitet, aber kaum wirklich erreicht, gleich wieder in Richtung Haupttonart verlassen. Jener in c-Moll aber bildetet einen insistierenden Mittelteil, der Assoziationen zur bildhaften, zentralen Szene des Trauermarsches weckt: Da sind sie wieder die Trommel- und Fanfarensignale: Tremoli im Baß, zackige Akkorde, die aus dem flüssigen Sechzehntelverlauf der rechten Hand ausbrechen. Die Geschwindigkeit der Bewegung in diesem Allegro läßt uns solche Querverbindungen leicht überhören, nicht aber die Tatsache, daß dieses Finale keinen triumphalen, erlösenden Schluß erreicht, sondern still auf einem lang liegenden, einsamen tiefen As zum Stillstand kommt. Resignation? Ergebung? Beredte, wenn auch vieldeutige Aussage jedenfalls. Beethoven hat mit diesem Werk jegliches Formschema hinter sich gelassen und findet sich in neuen, freien Regionen künstlerischer Aussagekraft wieder.

    ↑DA CAPO