Sonate F-Dur op. 10/2

Jahr

  • Allegro
  • Allegretto
  • Presto


  • Ein stupender Variantenreichtum steht am Beginn der F-Dur-Sonate, die oft als heiteres Gegenbild zum c-Moll-Furor des Schwesterstücks op. 10/1 gedeutet wird. Das Hauptthema besteht aus einer Fülle von völlig verschiedenen Bestandteil, zwei Staccatoakkorde, eine kleine Triolenarabeske, dann eine synkopiert aufsteigende Melodie, die mit Trillern und Vorschlägen ausgeziert fortgesponnen und über punktierte Sechzehntel beendet wird. Zwölf Takte lang währt dieses Spiel, aus dem allerlei bunte, überraschende Effekte destilliert werden.

    Der Verwandlungskünstler Beethoven führt uns über einige Zitate der Triolenarabeske nach C-Dur und in ein weitgeschwungenes, lyrisches Thema, das die rechte Hand in Oktaven über bewegten Bässen exponiert. Was so neu scheint, ist doch nur das Derivat einiger Elemente der vielfältigen Anfangsmotive.

    Wobei sich langsam herauskristallisiert, daß vor allem Terzsprünge und Dreiklangszerlegungen für den Sonatenprozeß bedeutsam werden dürften. Über Sechzehntelläufe erreichen wir ein Seitenthema, das von galanten Doppelschlägen auf dem letzten Taktteil charakterisiert ist und in drei Staccatoakkorde mündet, die bald bedeutsamer werden als es zunächst scheint. Vieles in dieser Sonate basiert auf Deja-vu-Effekten: Erinnern wir uns an die Akkorde des Sonatenbeginns? Nach der ungestüm hereinbrechenden Mollvariante des Seitenthemas wird über keck hüpfende Zweiklänge in beiden Händen die Triolenarabeske wieder in Recht gesetzt und treibt ihr Wesen. Hurtige Dreilangszerlegungen im Baß stützen dann das Abschlußstatement: Terzensprünge in der Oberstimme ¬(erinnern wir uns an die Terzen zu Beginn des Satzes?) – und ein mächtig-profunder Triller, ehe die Stakkatoakkorde ein allerdings karg nur in Oktaven gesetztes Echo finden. Widerhall allenthalben.

    Auch am Beginn der Durchführung, wo die weitergeführten Staccato-Oktaven von auf- und abwogende Varianten der Triolenarabeske vorangetrieben werden. Wilde Oktavbrechungen, vom Piano bis zum Fortissimo gesteigert und von fern an die Umrisse des großen melodischen Bogens der Exposition erinnernd, unterbrechen das Spiel. Es führt geradewegs in die Reprise. So scheint es zumindest, freilich erreicht Beethoven nach einem Diminuendo und einer Generalpause in D-Dur, tut aber so, als ob das völlig in Ordnung wäre. Der Sonatenanfang kehrt transponiert in die neue Tonart wieder.

    Erst die repetierten Arabesken führen uns nach F zurück. Mit der synkopierten Melodie ist auch der Grundton wieder erreicht.

    Eine unisono aus den Tiefen heraufkeimende f-Moll-Melodie steht am Beginn des Allegretto. Sie wird sanft nach As-Dur umgedeutet. Imitatorisch gibt sich die Weiterführung, forsch der Schluß des ersten Abschnitts dieses formal an alte Menuette, inhaltlich aber wie ein einmal fast gespenstisch, dann wieder poetisch-verklärt anmutendes Scherzo erinnernden Satzes. Das „Trio“ gehört zu den harmonisch spannendsten frühen Beethoven-Kompositionen und läßt mehr als einmal Schubertsche Sphären ahnen. Unter und über die choralartigen Akkorde legen sich zuweilen prägnant rhythmisierte Motive.

    Das Finale knüpft an vergleichbare Werke Joseph Haydns an, der in seinen Symphonien ähnliche, von Sechzehntelfiguren durchbrochene Staccato-Achtelgänge gern als Themen für Kehraussätze verwendet. Beethoven schichtet seine Haydn-Hommage jedoch sogleich kontrapunktisch, beantwortet das Thema spielerisch mit sich selbst und zerlegt es in seine Bestandteile: Da machen sich zuerst die Sechzehntel, dann die Achtel in munteren Repetitionen selbständig und werden mit zahlreichen Sforzati versehen kraftvoll durchgeführt. Zu einer Reprise kommt es nach den ausgreifenden Modulationen zwar, aber sie wird von rasanten Sechzehntelläufen überspült. Wobei die grandiose technische Meisterschaft des Komponisten auch an den wiederholten kontrapunktischen Kapriolen abzulesen ist, die jede scheinbar simple Sechzehntelbewegung im Nu in echte Mehrstimmigkeit verwandelt.

    ↑DA CAPO