Sonate c-Moll op. 10/1
Jahr
Bei mir werden binnen 6 Wochen 3 sehr schöne Claviersonaten von Herrn Ludwig van Beethoven herauskommen …
Am 7. Juli 1798 erschien in der „Wiener Zeitung“ eine Subskriptionseinladung des Verlegers Joseph Eder: Zwei Monate später erscheint die Erstausgabe unter dem TitelTrois Sonates pour le Clavecin ou Piano Forte, Composées et Dediées A Madame la Comtesse la Brown née de Vietinghoff par Louis van Beethoven. Œuvre 10. Vienne chez Joseph Eder sur le Graben.Mit einer düstern, dramatisch gefärbten c-Moll-Sonate hebt die Trilogie an. Das in punktierten Rhythmen hochfahrende Dreiklangsthema, mit dem das Allegro molto e con brio beginnt, mag an die vergleichbar forsche Eröffnung der allersten Beethoven-Sonate (op. 2/1) erinnern, doch folgt mit den Piano-Akkorden hier sogleich ein Seufzerthema als Antwort.
Der dialektische Prozeß wird im ersten Anlauf bereits aufgenommen und mündet in eine in großen Sprüngen wütend gesteigerte Manifestation des Kopfmotivs.
Seufzer, »senza complimenti«
Die Seufzer verdichten sich daraufhin zunächst zu chromatisch gewundenen Girlanden, dann weiten auch sie ihren Klangraum im Gefolge von hochschießenden Tonleitern und Dreiklangszerlegungen. Die punktierten Rhythmen kehren wieder, stehen unversöhnlich neben den Zitaten der Seufzerakkorde. Die Durchführung beginnt geradezu hohnvoll mit einer nach C-Dur gewendeten Variante des Sonatenbeginns, die weiten Sprünge stehen isoliert, die Seufzerthematik versucht sich an einer weitgespannten melodischen Linie, zersplittert aber wieder, verwandelt sich in knappe Staccatoakkorde, die zur Reprise führen. Sie ist harmonisch geschärft, geschult auch am Dur-Moll-Kontrast des Durchführungsbeginns, suggeriert aber keine innere Verwandlung, keine Annährung der Gegensätze. Zwei schroffe Schlußakkorde ersetzen eine Coda; Musik „senza complimenti“.Dem unversöhnlichen Ton antwortet ein inniges Adagio molto in As-Dur, dessen fallende zweite Motivhälfte als Anklang an das Seufzermotiv des Stirnsatzes gewertet werden kann, aber hier in einem zunächst liedartig schlichten Zusammenhang verarbeitet wird. Der schön gesteigerten Melodieführung folgt virtuos-brillante Figurenwerk, das mit Vorschlägen und Arpeggien in allen Lagen einen spielerischeren, lichten Ton einbringt. Selbst die stark rhythmisierten Klänge des Es-Dur-Gegentehmas werden bald in duftige Arbesken aus Sechzehnteltriolen aufgelöst, ohne daß der hochgestimmte, innerlich ruhige Ton des Beginns je ganz aufgehoben erschiene. Als ob eine erhabene melodische Linie, mehr oder weniger verdeckt, als Ariadnefaden durch den gesamten Satz gespannt wäre. Beide Teile kehren wieder, leicht verändert und als regelrechte Reprise in der Haupttonart verharrend. Aber eine Coda schließt sich an, von wiegenden Synkopen getragen die As-Dur-Melodie des Beginns paraphrasierend und einem weichen, beruhigenden Schluß zuführend.