Sonate Es-Dur op. 7

Jahr

  • Allegro molto e con brio
  • Largo, con gran espressione
  • Allegro – Minore
  • Rondo. Poco Allegretto e grazioso


  • „Grande Sonate pour le Clavecin ou Piano-Forte, Composée et dediée à Mademoiselle La Comtesse Babette de Keglevics par Louis van Beethoven. Oeuvre 7“

    So steht es auf dem Titelblatt der im Oktober 1797 bei Artaria erschienenen vierten Klaviersonate zu lesen.

    Babette Keglevics

    Babette (eigentlich Anna Luise Barbara) Keglevics, Tochter eines ungarischen Magnaten, war eine Klavierschülerin Beethovens, der später, kurz nach ihrer Vermählung mit dem Fürsten Innocenzo d’Erba-Odescalchi, auch das Erste Klavierkonzert zugeeignet wurde.

    Erstmals knüpft der Komponist durch eine Widmung Bande zur ihm nahestehenden österreich-ungarischen Aristokratie jenseits der direkten Einflußsphäre seines ersten großen Mäzens Lichnovsky.

    Der »verliebte Beethoven«?

    Man soll wohl die expressiven Botschaften der Musik nicht überbewerten oder jedenfalls sie nicht direkt mit der Widmungstägerin in Verbindung bringen. Denn sonst müßte Beethoven in die Comtesse verliebt gewesen sein.

    Opus 7 ist sein bisher leidenschaftlichstes Werk, gleichzeitig aber auch sein formal gefaßtestes, konzentriertestes. Der Interpret steht hier vor der Wahl, aus dem Klassiker einen Klassizisten zu machen, der die architektonischen Muster geradezu mit Pedanterie herausstreicht. Oder ihn zum ersten Romantiker zu stempeln, der mit Tönen vor allem expressive, subjektive Mitteilungen macht. In der Vereinigung der beiden Triebkräfte musikalischen Schaffens liegt selbstredend die eigentliche Meisterschaft.

    Der stürmische, von repetierten Achteln vorangetriebene Gang des Eröffnungssatzes atmet bald nicht nur Fröhlichkeit, sondern Leidenschaft. Das ersten Fortissimozitat der Eingangsakkorde steht kraftvoll und bestimmt neben hüpfenden, kichernden Figurationen im Diskant. Öfter als einem schablonenhaft („apollinisch“) klaren Verlauf einer klassischen Sonatenform zuträglich wäre schreibt Beethoven Sforzati, jähe dynamische Akzente vor. Die Spannung zwischen den Elementen wächst, verzückte, (hysterische?) Sprünge über mehrer Oktaven stacheln die emotionelle Bewegung an.

    Das choralartige Nebenthema hält die stürmische Gangart nur für einen Atemzug zurück, verwandelt sich selbst durch den offenbar nicht aufzuhaltenden Furor der durchgängigen Achtelbewegung, die von neuem die Herrschaft übernimmt harmonisch immer öfter durchsetzt mit energischen harmonischen Ausritten, die dann die Durchführung zwischen heftigen Statements der Eingangsakkorde und geheimnisvoll zurückgenommenen Verwandlungen der Achtelgänge beherrschen, die nach der Reprise auch zu einer ungewöhnlich ausführlichen Coda führen, in der sich die Motive erneut modulierend zu verlieren scheinen, bis zur Erschöpfung, die kurz vor der Schlußkadenz zum Innehalten zwingt.

    Das Largo kommt dann tatsächlich „con gran espressione“ daher. Die Zeitgenossen waren vom innigen, aber auch radikal subjektivistischen Stimmungsgehalt dieser Komposition fasziniert. Der junge Fürst Galitzin, Verwandter des russischen Gesandten zur Mozart-Zeit, hat als Halbwüchsiger einige Jahre in Wien verbracht und von dort auch als Amateurmusiker Erfahrungen (und Partituren) nach St. Petersburg mitgenommen.

    Fürstliche Capricen

    Für Beethoven hegte er enorme Begeisterung und arrangierte ¬– bevor der den Auftrag zur Komposition der legendären späten Streichquartette gab – zum Eigengebrauch aus verschiedenen Werken ein Quartett, in dessen Aufführungen er selbst den Cellopart musizierte. Galizins fiktive Beethoven-Komposition bestand aus der Waldsteinsonate, in die das Scherzo aus der A-Dur-Cellosonate und das Largo aus unserer Klaviersonate op. 7 „eingelegt“ wurden. Tatsächlich weist manches in diesem außergewöhnlichen C-Dur-Satz auf den späteren Beethoven hin. Die unendliche Ruhe, die über den ersten Takte zu liegen scheint, führt uns in eine Welt konzentriertester motivischer Arbeit, die aber im Dienste des äußersten Ausdrucks steht. Beethoven läßt vom ersten Moment an keinen Zweifel, daß er hier expressive, durchaus extrovertierte Aussagen zu machen wünscht.

    Wie schon im Allegro molto e con brio durchzucken den melodischen Fluß auch hier plötzliche Sforzati. Die Piani und Pianissimi, zum Teil von galantem Arabeskenwerk verbrämt, werden von Fortissimoakkorden abgelöst, die die folgende Entwicklung auszulösen scheinen: Über bewegten Staccatobässen entfaltet sich eine hymnisch gesteigerte, modulierende As-Dur-Szene, die in eine brüske Konfrontation zwischen kraftvollem Statement rhythmischer Elemente des Kopfmotivs mit Pianissimoakzenten in höchster Lage mündet. Die eben noch so sanft und groß fließende Musik löst sich mit einem Mal auf in rezitativisch nebeneinander gestellte Ausdrucksgesten. Wenn der hymnische Gesang des Beginns wiederkehrt, ist er stärker als zunächst durchsetzt mit den graziösen Arabesken. Die As-Dur-Passage kehrt, nach C-Dur gerückt, zurück, diesmal allerdings nicht von Staccatobässen, sondern von diesen verwandten Figuren im Diskant überwölbt, und sie mündet zuletzt sanft in kadenzierende Zitate des Kopfmotivs. Der kaum gezügelten Leidenschaften ist in dieser Sonate aber kein Ende.

    In die harmlos menuettartigen Abschnitte des folgenden Allegros ist ein es-Moll-Impromptu engebettet, das schlagartig den klassischen Ton in romantische Gefühlsbereiche wendet, ungestüme loswirbelnd, alles tänzerische Getändel hinwegfegend. Auch hier finden sich wiederholt Sforzatovorschriften und eine extrem dynamische Spannung, die zuletzt in mystische Pianissimo-Urgründe versinkt. Die Reprise des simplen ersten Abschnitts erklingt also über ungesichertem Grund.

    Selbstverständlich ist auch das Finale dieser wahrhaft „großen Sonate“ – wir begreifen langsam, warum Beethoven sie als solche bezeichnet und als Einzelstück veröffentlich hat ¬– selbstverständlich ist also auch dieses durchsetzt von kämpferischen, dramatisch-feurigen Gesten. Dem hübsch abgezirkelten Rondothema begegnet bald ein wütender Moll-Mittelteil, von wogenden Zweiunddreißigstelkaskaen aufgewühlt. Was Wunder, daß die Wiederkehr des Rondothemas von behutsam, aber doch klagenden chromatischen Elementen durchzogen ist? Was Wunder auch, daß dieses Werk, durch und durch ungewöhnlich in seinem Duktus, nicht in virtuosen Fortissimo endet, sondern in stiller Bewegung ausläuft?

    ↑DA CAPO