Sonate C-Dur op. 2/3
1793
Als verkapptes Klavierkonzert hat man die dritte der Sonaten op. 2 des öfteren Bezeichnet. Tatsächlich spricht manches für diese Anschauung, vor allem die Tatsache, daß das Allegro con brio kurz vor Schluß wie der Stirnsatz eines Klavierkonzertes mit einer regelrechten Kadenz angereichert wird. Auch der Aufbau der Exposition hat konzertante Elemente und klingt, je nach Pianist, hie und da tatsächlich wie der Klavierauszug einer Orchesterpartitur –mit sanft geheimnisvollem Beginn und aufrauschender Schlußcoda vor dem Einsatz des Solisten.
Mozarts Vorbild?
Das könnte nach Mozarts Vorbild gestaltet sein, denn die für Beethoven außergewöhnliche Festlegung auf etliche höchst unterschiedliche Motive in der Exposition ließe den Vergleich mit dem älteren Meister durchaus zu.Aus dem prägnanten Eingangsthema lösen sich die zunächst durch alle Stimmen imitierten Sechzehntelpassagen bald zum furiosen Arpeggiengewitter, das einen animiert-sanften Seitengedanken umrahmt, der nun wirklich von Mozart stammen könnte. Zuletzt drängt sich ein markantes Trillermotiv vor, das uns auch in die Durchführung begleitet.
Hier finden sich nach den wiederholten Arpeggien die Anfangstakte in D-Dur wieder und führen mit insistierenden Abspaltungen des Sechzehntelmotivs in die Haupttonart zurück.
Soweit wäre die Theorie vom Konzert im Kleinformat vielleicht noch haltbar. Die bewußte Kadenz kommt dann freilich keineswegs wie im Solo-Orchesterstück unmittelbar im Anschluß an die Reprise, sondern ist eigentlich die logische Folge eines jäh aus der entfernten Tonart As-Dur hereinmündenden Auflösungsprozesses, der im Gefolge der Triller mit piano, dann pianissimo in sich zusammensinkenden Dreiklangszerlegungen eingeleitet wird: Dekomposition eines Formprinzips, wenn man so will. Dem neuerlichen Zitat des Eingangsmotivs nach der improvistaorischen Kadenz folgt dann allerdings tatsächlich eine Stretta wie ein lautstarkes Orchestertutti.
Gleich weit entfernt von der Ausgangstonart wie die zuletzt plötzlich thematisierte As-Dur-Welt hebt der langsame Satz an: In E-Dur hebt ein durch etliche Pausen unterteiltes, zunächst geradezu idyllisch anmutendes Thema an, dessen Fluß bald von Synkopen ins Stocken gebracht wird. Eine flüchtige Zweiunddreißigstelgeste führt uns in den geisterhaft hereinbrechenden e-Moll-Abschnitt. Ein düsteres Szenario löst den schlicht-romanzenhaften Beginn ab. Claudio Arrau spach angesichts dieser Entwicklung gar von einer „Vorahnung späterer Tiefen“ in Beethovenschen Adagio-Sätzen.
Spiel mit Hörerwartungen
Tatsächlich treibt hier die Kunst der motivischen Verarbeitung dramaturgisch faszinierende Blüten, wie nach den aufwühlenden Episoden eine im trotzigen Fortissimo herausgestoßene Variante der idyllischen Melodie die eigene, regelrecht-zarte Reprise konterkariert und ein neuerliches Aufbäumen herbeiführt, das gehört zu den fulminanten Kunstgriffen des jungen Beethoven. Auch hier spielt er mit Erwartungen des Hörers, der formale Muster voraussieht, die so nicht eintreten. Eine Reprise, so expressiv bleibt die Aussage allemal, kann nach allem, was geschehen ist, nicht ungeschminkt eintreten. Fesselnd auch der Schluß des Satzes, der sich in geradezu grotesker Manier unvermittelt zwischen Sforzato und Pianissimo in seine motivischen Bestandteil aufzulösen scheint, nicht ohne diese mit allerlei Zierrat wie Trillern und Doppelschlägen zu versehen.Die Hintergründigkeiten treiben im Scherzo einem neuen Höhepunkt zu. In forwährendem Staccato jagen einander die Imitationen des Themas, rennen sich wiederholt in repetitiver Akkordik fest. Das Trio, in der Paralleltonart a-Moll, entwickelt sich wie ein romantisches Impromptu aus wogenden Arpeggien. Beethoven beschließt die Scherzoreprise mit einer eigens angefügten Coda, in der sich der Baß rätselhaft insistierend festbohrt. Es fällt schwer, nicht an programmatische Grundlagen solch beredter Musik zu glauben.