Gregor Joseph Werner
1693 - 1766
Joseph Haydns Vorgänger in Eisenstadt
Wer war Gregor Joseph Werner?
Man darf annehmen, daß Haydn das nicht getan hätte, wenn er von Werner mit Geringschätzung behandelt worden wäre. Zwar stand er, der "Modehansl" für eine völlige Erneuerung des musikalischen Stils und hat von seinem Vorgänger diesbezüglich wenige Anregungen übernehmen können. Doch dessen akribischer Ernst in Sachen musikalischer Qualitätsstandards hat auf Haydn lebenslang abgefärbt.
Man weiß, daß er der Vorgänger Joseph Haydns als fürstlicher Kapellmeister bei Esterházy war, hoch geachtet und ein führender Mann der österreichischen Kirchenmusik. Angeblich hat er seinen jungen Assistenten, dem er zunächst die weltlichen musikalischen Angelegenheiten und zuletzt krankheitshalber auch die kirchenmusikalischen Aufgaben anzuvertrauen hatte, einen „Modehansl“ genannt. Einen G’sanglmacher“ auch.
Selbst wenn das eine Anekdote sein sollte, offenbart es den stilistischen Abstand zwischen den beiden Persönlichkeiten: Werner war etwa 35 Jahre älter als Haydn und stammt noch aus der Zeit des Wiener Hochbarock. Vielleicht war er ein Schüler des großen Johann Joseph Fux; genau weiß man das so wenig wie Werners Geburtsdatum und seinen Geburtsort.
→ Das Verhältnis zu Joseph Haydn
Daß der Jüngere dereinst zum führenden Komponisten Europas werden sollte, konnte Werner nicht ahnen, als Haydn sein Vize-Kapellmeister-Amt antrat. Für den jungen Fürsten Nikolaus Esterházy, der mit der Mode gehen wollte und sich um die von Werner so glänzend repräsentierte Kirchenmusik kaum noch kümmerte, war der neue Mann jedenfalls der rechte: Das musizieren zu weltlichen Anlässen wurde von den bald „Der Prachtliebende“ genannten Fürsten immer wichtiger.
So wurde Haydn zum Opernkapellmeister und zum Meister der Symphonie und der Kammermusik. Wie sehr er Gregor Joseph Werners Kunst schätzte, zeigt sich freilich daraus, daß sich in seinem Nachlaß, also mehr als ein halbes Jahrhundert nach Werners Tod, ein Dutzend von dessen Karfreitags-Musiken fanden. Einige „Lamentationen“ und andere Chorwerke dazu. Und noch 1804 und 1805 erschienen in der Wiener Zeitung Annoncen von Drucken, die Haydn selbst herausgab:
VI Fugen in Quartetten auf zwei Violinen, Viola und Violoncell von G. J. Werner, weyland Kapellmeister S. D. des Fürsten N. Esterhazy u.s.w. / Aus besonderer Achtung gegen diesen berühmten Meister nun herausgegeben von dessen Nachfolger Joseph Haydn. Zu haben in Wien bei Artaria und Co. Verlagsnummer 1707.
In Esterházys Diensten
Am 10. Mai 1728 — so das früheste Dokument, das wir von Gregor Joseph Werner besitzen —
wurde er als fürstlich Esterhazyscher Kapellmeister in Eisenstadt angestellt. Die verwitwete Fürstin Maria Oktavia, die bis 1734 die Geschäfte für ihren noch minderjährigen Sohn Paul Anton führte, bewilligte ihm zur Übersiedlung aus Wien am 15. Juni 1728 zwei Wagen für ihn und sein Gepäck zur Fahrt nach Eisenstadt. In diesem Gepäck befanden sich Instrumente für die fürstlichen Kirchenmusik und ein Violoncello für den jungen Fürsten, das Werner in seiner mehrwöchigen, bezahlten Vorbereitungszeit in beim kaiserlichen Hoflautenmacher Anton Posch bestellte. Außerdem Aufführungsmaterial für geistliche Werke unter andere, von Johann J. Fux, Zeani und Caldara.
Ganz offenbar versuchte man in Eisenstadt ein wenig von der musikalischen Pracht der kaiserlichen Barockkultur um Karl VI. zu importieren.
Ein Student von J. J. Fux?
Deshalb wird auch vermutet, daß Werner bei Hofkapellmeister Fux studiert hat und quasi aus der Obhut der Hofmusikkapelle in die Freiheit einer fürstlichen Kapellmeisterstelle entlassen worden war.
Diese katholischen Versionen der Passionsmusiken waren Oratorien deren Titel die Inhalte verraten: →
Die Kirchenmusik hat Gregor Joseph Werner dann mit Eifer gepflegt. Vor allem gelang es ihm, das Niveau der fürstlichen Kapelle zu heben. Haydn fand bereits eine gediegene musikalische Substanz vor, auf die er – den Schwerpunkt nach und nach auf die „Tafelmusik“ und die weltliche Agenda verlegend – aufbauen konnte.
Interessant ist, daß Haydn aus dem fürstlichen Archiv vor allem die Karfeitagsmusiken Werners an sich nahm.
* Der keusche Joseph
* Deborra
* Der Tod des hl. Johannes von Nepomuk
* Fasciculus Myrrhae Dilectus
* Die betrübte Tochter Zion
* Tobias
* Schmerzhafter Widerhall des David‘schen Tränenliedes
* Mater dolorum
* Judith und Holofernes
* Job
* Adam
* Saul und David
* Daniel
* Judas Maccabäus
* Der gute Hirt
* Die allgemeine Auferstehung der Toten und das letzte Gericht
* Esther
An reinen Instrumentalwerken hat sich wenig erhalten. Immerhin aber blieb der Name Gregor Joseph Weners Musikkennern dank eines orirignellen Stücks programmatischer Art in Erinnerung. Nach dem Vorbild der barocken österreichischen illustrativen Sonate (denken wir an die einschlägigen Werke Bibers) schrieb Werner nebst einer Schilderung des
Wiennerischen Tandlmarkts
auch einen
Musikalischen Instrumental-Kalender
Die inhaltliche Dramaturgie dieses musikalischen Kalenders, der Werners populärstes Werk werden sollte, beschreibt der Komponist im Vorwort zur Druckausgabe mit blumigen Worten: →
Neuer und sehr curios Musicalischer Instrumental-Kalender, Parthienweiß mit 2 Violinen und Basso und Cembalo in die zwölff Jahrs-Monat einge-theilet / und Nach eines jedwedem Art und Eigenschafft mit Bizzarien und seltzamen Erfindungen herausgegeben, Durch Gregorium Josephum Werner, Seiner Hoch-Fürstl. Durchleucht Pauli Antonii Caroli Estorhasi de Galantha etc. etc. dermahligen Capell-Meistern in dem Hoch-Fürstl. Schloß zu Eißenstadt. AUGSPURG / gedruckt und verlegt von Johann Jacob Lotters seel Erben.
Vorrede
Hoch- und nach Standes-Gebühr geneigter Leser!
Hier wird Dir ein Wercklein zur Gemüths-Ergötzung vorgeleget, von
derley Gattung noch keines jemahl zum Vorschein gekommen. Es betitult sich
aber dieses: Der neue und sehr Curios-Musicalische Instrumental-Calender.
Hievon nun eine kurtz- und deutliche Information zu geben, so folget demnach
zu wissen, daß gleich Anfangs Januarii mit zitternden Noten die Kälte exprimiret wird. Im Februario kommen allerhand lustige Faßnachts-Stuck mit
Harlequins Hochzeit. ...
Der Martius deutet auf die traurige Fasten. In dem April folget das variable Wetter mit mancherley vermischten Tacten. Der Majus bringet die Gärtnerey, samt dem Nachtigalls-Gesang. Der Junius und Julius hat Erdbeben und Donner-Wetter.
Im Augusto und September kommen der Zeit gemäß einige curiose Stuck.
Der October
führet den Faßbinder auf.
In dem November ist der melancholische Student
wegen der Schulen Anfang, darbey sich die Mühl hören lasset, weilen sich
jeder über den Winter gern proviantiret.
Der December hat den Schlaff wegen
der langen Nächte. Es kommet auch die Sonne zum Vorschein, wie sie Quartalweiß in die vier Himmels-Zeichen, des Widders, Krebsen, Waag und Steinbocks einruckt, wo zu observiren, daß erst- und letzteres Stuck Stoß-weiß exprimiret seye, die Krebs-Menuet aber hinfür- und ruckwerts gespihlet wird. ...
Pittroreske Klänge nutzt Werner auch in seinen geistlichen Kompositionen. In den Pastorellen zur Weihnachtszeit hört man die Hirten an der Krippe mit Schalmeien und Dudelsäcken musizieren. Trotz seiner durchaus humoristischen Ader bleib er stilistisch durchwegs dem österreichischen Barock verbunden.
Den Schritt in Richtung „Moderne“ überließ er seinem Nachfolger Haydn, dem „G’sanglmacher“.
Gregor Joseph Werner starb 1766 und wurde auf dem Friedhof der Eisenstädter Bergkirche begraben. Auf dem Grabstein fand sich ein Epitaph, das sich der Komponist selbst gedichtet hatte:
EPITAPHIUM
Hier ligt ein Chor-Regent, der ein Groß Fürsten-Haus
sehr viele Jahr bedient, nun ist die Music aus.
Er hatte grosse Plag mit Kreuzl und b‘moll
wüst endlich nicht wie, wo er resolviren soll.
Bis er die Kunst erlernt pur in Geduld zu sein
alsdann gab er sich willig und ganz bereit darein.
Dich aber, grosser Gott!
bitt Er in höchster Noth
Du wollst die Dissonanten
vom Ihm gesezt zu frey
Verkehrn in Consonanten
durch seine Buss und Rey.
Weil Er die lezt Cadenz sodann im Grab gemacht,
ist folglich all sein Müh zum guten Schluss gebracht.
0 Heyland! nehm ihn auf zu deinen Himmels-Chor,
den nie ein Aug gesehn, noch ghört ein menschlichs Ohr.
Wann dann die Gross Posaunen
Wird ruffen zum Gericht
Mit aller Welt Erstaunen
alsdann verdamm ihn nicht.
Dich aber frommer Wanders Mann
Ruff ich um ein Gebettlein an.