Johann Heinrich SCHMELZER

um 1622 - 1680

Schmelzer war der Sohn eines Bäckermeisters im niederösterreichischen Scheibbs. Schon als junger Bursche war er Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle in Wien. 1635 taucht sein Name das erste Mal in den Protokollen auf. Ab 1639 war er ein Jahrzehnt lang an der Domkirche St. Stephan tätig: Das Cornette, (zu deutsch: Zink) war sein Instrument. Ab 1649 firmiert er offiziell als Mitglied der Hofkapelle, in der er bald vor allem als virtuoser Geiger Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Mit eigenen Kompositionen war er so erfolgreich daß ihm der Wiener Hof Aufträge für die damals zur Repräsentation bedeutenden Ballett-Produktionen erteilte. Nicht zuletzt dank dieser Ballettmusiken avancierte Schmelzer 1671 zum kaiserlichen Vizekapellmeister. Für die Tanzmusik jenseits des französischen Sprachraums waren die Ballette Schmelzers stilbildend, basierend auf italienischen Vorbildern, entwickelte der Komponist eine reiche Palette an Möglichkeiten, die für die kaiserlichen Lande stilbildend wurden.

Adeliger Komponist

Bereits zwei Jahre nach der Ernennung zum Vizekapellmeister verlieh Kaiser Leopold I. dem Komponisten den Adelstitel »von Ehrenruef«. Als Schmelzers Vorgesetzter, Giovanni Felice Sances 1679 starb, ernannte der Kaiser Schmelzer zu dessen Nachfolger: Der erste Wiener Hofkapellmeister, der nicht aus Italien stammte, sondern waschechter Österreicher war!

Während der wütenden Pest-Epidemie, die in Wien grassierte, übersiedelte die Kapelle mit dem kaiserlichen Hofstaat vorübergehend nach Prag. Doch die Seuch war dem Troß auf den Fersen: Schmelzer starb im März 1680 in Prag an der Pest. Nur fünf Monate waren ihm zur Ausübung des höchsten musikalischen Amtes im Kaiserreich vergönnt.

Schmelzers Werkkatalog ist reich an geistlichen und weltlichen Vokalkompositionen und an prachtvoller Instrumentalmusik zum Gebrauch bei festlichen Anlässen. Wie der jüngere → Heinrich I. F. Biber reichert Schmezler seine Sonaten mit programmatischen Assoziationen an und schafft frühe Vorbilder für die später so genannte »Programmusik«, indem er mit musikalischen Mitteln Nymphen und Musen, Musketiere und Jäger, Alchimisten und Narren auftreten läßt.

Die wichtigste Sammlung Schmelzerscher Kompositionen findet sich in einer Prachhandschrift für die Schlafkammerbibliothek Kaiser Leopolds. Darunter auch das einzige erhaltene Exemplar der »Sonatae unarum fidium«, die in gewisser Weise Schmelzers Hauptwerk darstellen.

»Unarum fidium«

Unarum fidium bedeutet übersetzt etwa: Sonaten für Violine solo. Der Druck erschien 1664 in Nürnberg mit einer Widmung an Kardinal Carlo Caraffa, den päpstlichen Nuntius am kaiserliche Hof. In der lateinischen Widmung heißt es unter anderem, die Sonaten für eine Stimme seien Zeugen für die Einheit und Einzigkeit des Glaubens.

Für die musikalische Welt stellten diese Sonaten einen revolutionären Akt dar. Schmelzers Virtuosität, die von den Zeitgenossen so bewundert wurde, schlägt sich in den Kompositionen in bis zu diesem Zeitpunkt ungekannten technischen Herausforderungen an den Spieler nieder. Die Bogentechnik wird durch neue Stricharten bereichert, die linke Hand wandert in zuvor unerschlossene Griffbrett-Höhen. Aber auch der musikalische Ausdruck nutzt harmonische Innovationen zu beeindruckenden, bewegenden Momenten. Wobei die Grundstimmung der Sonaten elegisch, melancholisch, oft theatralisch-tragisch anmutet. Die Zeitläufte waren nicht nur durch Krankheiten verdüstert, sondern auch durch die beständige Gefahr, die von den Eroberungszügen der Osmanen ausgingen. Die Türkenkriege strebten gerade ihrem entsetzliche Höhepunkt zu: 1683 stand das feindliche Heer vor Wien - und das christliche Abendland am Abgrund.

Die »Chaconne«

Ein Glücksfall in der Überlieferungs-Geschichte ist die präzise Aufzeichnung der Ciaccona in der kaiserlichen Prachthandschrift. In der Regel genügten Schmelzer und seinen Musikern die Notation der Baßstimme, und die ersten Takte der Melodie - deren Variationen dann über dem ständig wiederholten Baß fantasievoll iprovisiert wurde. Etwa wie es später bei guten Jazz-Sessions der Brauch werden sollte.

Im Falle der kaiserlichen Ciaccona in A hat man den gesamten musikalischen Verlauf notiert, womit eine Idee von den kunstvollen Solo-Auftritten Schmelzers als Geiger erhalten.

Aufnahmen

Zur Wiederentdeckung dieses originellen Geists der Barockmusik hat → Nikolaus Harnoncourt mit seinen Forschungsarbeiten für das Repertoire seines Concentus musicus in den frühen Jahren seines Wirkens unschäztbare Leistungen erbracht.

DA CAPO