→ J. B. LULLY * SINKOTHEK *

Jean Baptiste Lully

BELLEROPHONE

Geschichte einer Wiedergewinnung
Gespräch mit Christophe Rousset

Oper, wie sie Ludwig XIV. liebte

Theater an der Wien. Christophe Rousset präsentiert "Castor und Pollux" von Rameau und eine Rarität von Lully, die er dank eines Antiquariats-Fundes renovieren konnte.

Nein, Noten waren immer da", sagt Christophe Rousset, "aber ich hatte das Glück, in einem Pariser Antiquariat ein Exemplar des Erstdrucks zu finden, den der Komponist selbst überwacht hat". Das gab den Anstoß: Jean Baptiste Lullys "Bellerophon", eine Lieblingsoper von Ludwig XIV., erklang vor wenigen Wochen erstmals wieder live - und zwar dort, wo das Stück seinerzeit zur Freude des Sonnenkönigs musiziert wurde, in Versailles.

"Bellerophon" war eines der Prestigeprojekte im Zuge der Wiedereröffnungs-Aktivitäten des frisch renovierten Schlosstheaters. Wobei Christophe Roussets "Talens Lyriques" gar keiner Szenerie bedürfen. Mit fantasievoller Lichtregie gelingt es in dem architektonisch prachtvollen Theaterbau mühelos, auch eine Konzertaufführung zum Theatererlebnis zu machen. Zumal Roussets Fund es möglich macht, ein akustisch wirklich getreuliches Remake einer Produktion am Hofe Ludwigs XIV. zu arrangieren.

"Die bisher vorhandenen Quellen zu Bellerophon lassen - wie so oft - viele Fragen offen, die der Druck, den ich entdeckt habe, beantworten hilft. Wir können jetzt ziemlich genau sagen, an welchen Stellen welche Nummern aus dramaturgischen Gründen wiederholt wurden; oder wo man ein Stück Gebrauchsmusik der Zeit einlegen muss, um die nötigen Theatereffekte zu erzielen."

Auf diese Weise neu arrangiert, feierte "Bellerophon" nun also seine Wiederauferstehung - und wird als Zuckerl auch neugierigen Wiener Musikfreunden präsentiert. Im Rahmen der szenischen Produktion der Oper "Castor und Pollux" von Lullys großem Nachfolger Jean Philippe Rameau, gibt es auch eine einzelne "Bellerophon"-Aufführung im Theater an der Wien. Fast zeitgleich soll die CD-Produktion auf den Markt kommen, die Rousset mit seinem Ensemble von der Pariser Aufführung produzieren ließ.

Eine Initiative in einem nach wie vor keineswegs wohlbekannten Repertoire-Feld. Wien lag schon im Barock in kultureller Hinsicht jenseits der französischen Einflusssphäre. Oper, das war eine italienische Kunstform, was in Wahrheit für ganz Europa galt - mit Ausnahme des vom Sonnenkönig regierten Teils. Während Meister wie Händel oder Hasse das Musiktheater italienischer Prägung bis Deutschland und England trugen, pflegten die französischen Meister ein künstlerisches Inseldasein. Lully, geborener Italiener, wurde zum Vorkämpfer einer prononciert französischen Opernform, die dank Rameau bis ins späte 18. Jahrhundert hielt - um von Christoph Willibald Gluck reformiert und für die Ära der Aufklärung tauglich gemacht zu werden.

Wenn Friedrich Torbergs Tante Jolesch mit einigem Recht davon sprach, dass alle Städte gleich seien, nur Venedig "a bissele anders" sei, dann muss dieses Bonmot für die Opernwelt auf Paris umgemünzt werden. Roussets akribische Quellenforschung und die Originalklang-Strategie seines Ensembles gewähren nun Einblick in eine hierzulande bis heute "fremde" Welt, eine Lust an musikalisch-szenischer Prachtentfaltung, die höchst eigenwillige Blüten getrieben hat.

Wobei "Bellerophon", im Theater an der Wien am 25. Jänner zu hören, zu den frühesten bedeutenden französischen Barockopern gezählt werden darf. Die Uraufführung erfolgte 1679. Rameaus "Castor" (Wiener Premiere morgen, Donnerstag) erblickte 1754 das Licht der Bühnenwelt.

Die Inszenierung von "Castor und Pollux" stammt von Mariame Clement, mit der Rousset bereits mit großem Erfolg Rameaus "Platee" in Straßburg herausgebracht hat. "Castor wird in den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts spielen", weiß Rousset zu erzählen, "und ich empfinde das gar nicht als Widerspruch zu unseren Bemühungen um den sogenannten Originalklang. Im Gegenteil: Die Instrumente haben ja auch etwas Frisches, Modernes. Wichtig ist für mich, dass die Regie Raum für die Musik lässt und das Ohr nicht stört. Wir haben zwei Jahre lang harmonische Gespräche geführt."

↑DA CAPO