Johann Friedrich Fasch

(1688-1758)

Auf halbem Weg zwischen Barock und Klassik


Dieser Mann war einer der originellsten Komponisten seiner Zeit - und das war imerhin die Ära Bachs und Händels. Doch schon die kommende Generation kannte seinen Namen kaum noch. Keines seiner Werke wurde zu Lebzeiten gedruckt.
Und doch...
Johann Friedrich Fasch spielte im großen Konzert des deutschen Barock jener Jahre eine gewichtige Rolle. Früh begabt, brachte sich der Chorknabe in Weißenfels selbst das Violin- und Cembalospiel bei. Einen Lehrer konnte er sich nicht leisten.


Geboren am 15. April 1688 in Buttelstedt bei Weimar, erhielt der Knabe mit der schönen Stimme seine erste musikalische Ausbildung als Knabensopran in der Hofkapelle des Herzogs von Weißenfels.
1701 durfte Fasch zu Bachs Amtsvorgänger Johann Kuhnau an die Thomasschule zu Leipzig wechseln.

Im Komponieren hatte er sich früh geübt. Die ersten Kompositionen, die sich erhalten haben, stehen stilistisch vollkommen im Bann des deutschen Hochbarock, spürbar am Vorbild des damals im deutschen Musikleben dominierenden, sieben Jahre älteren Georg Philipp Telemann orientiert, den Fasch traf, als er in Leipzig ankam, um dort die Rechte zu studieren. Telemanns Orchesterouvertüren dienten ihm zum Vorbild: Fast 90 solcher Werke aus Faschs Feder sind verbürgt. Die wenigsten blieben erhalten, machten aber zu Zeiten Furore.

Fasch war nicht wenig stolz darauf, daß es ihm gelang, einige seiner Werke unter dem Namen Telemann zu lancieren - und Leipzig ließ es sich gefallen, denn niemand bemerkte den Schwindel.

Aufführen konnte er seine Werke ab 1708 mit dem von ihm selbst gegründeten, universitären Collegium musicum, das rasch zu einer fixten Größe im Kulturleben der Stadt wurde.
Thomaskantor Johann Kuhnau hatte unter den künstlerischen Attacken der jungen, aufmüpfigen Kollegen allerhand zu leiden.

Der Eindruck, den Faschs Musik auf die Honoratioren Leipzigs gemacht hat, muß enorm gewesen sein. Jedenfalls bot man ihm, nachdem der mittlerweile weltberühmte Telemann abgelehnt hatte, nach Kuhnaus Tod die Kantorenstelle an. Erst als Fasch ablehnte, kam Bach zum Zug!

Fasch hatte auch bald lukrative Aufträge bekommen - etwa für Opernkompositionen für den Hof in Naumburg.

Weitere Studien führend ihn im Rahmen einer regelrechten Handwerksgesellenreise zunächst nach Darmstadt, wo ihn der hochgeehrte Hofkapellmeister des Herzogs von Hessen-Darmstadt, Christoph Graupner, 14 Wochen lang »unentgeltlich in der Composition aufs Treulichste informieret.«

Über Gera (wo er sich als Kammerschreiber verdingte) und Greiz (Organist und Stadtschreiber) kam er 1721 zum Grafen Morzin nach Lukaveč in Böhmen und von dort schon 1722 nach Zerbst, wo man ihn zum Hofkapellmeister macht.

In jener Zeit wandelte sich der musikalische Stil des findigen Komponisten bald weg von barocken zu fortschrittlichen Formen, vom elaborierten Kontrapunkt zu melodiebestimmteren, homophonen Formen, wie er sie wohl schon in seiner Unterhaltungsmusik für das Leipziger Collegium gepflegt haben wird.

Der leichte Tonfall, wie wir ihn etwa in den Suitenkompositionen von Bach oder Händen finden, wandelt sich bei Fasch zu Vorahnungen des späteren »galanten«, zum Teil auch des »epmfindsamen« Stils. Davon kündet vor allem die Instrumentalmusik.

Von der Suite zur Symphonie

Anhand einiger - durchwegs exzellenter! - Aufnahmen läßt sich die Entwicklungslinie wunderbar nachzeichnen.

Hans Martin Linde hat mit seinem Consort einige der Orchestersuiten eingespielt, die durchaus neben den Bachschen Beispielen bestehen können, elegant, geschmeidig in der Melodiebildung, originell in der rhythmischen Bewegung.

Ludger Remy hat sich einiger Orchestersuiten angenommen, die quasi auf halbem Weg zur Symphonie stehen: allesamt dreisätzig, mit einem jeweils sehr ariosen Mittelsatz und raschen Ecksätzen, die zwar durchaus tänzerisch bewegt sind, aber bereits neuen Formwillen zeigen.

Auch der CD des Ensembles »Tempesta di mare« ist die stilistische Zeitreise sozusagen gerafft nachzuvollziehen: Da kommt eine Suite (Ouvertüre) in a-Moll neben eine Sinfonia (in g-Moll) zu stehen, die ein Formmuster aufweist, wie es für die Zerbster Gepflogenheiten Faschs typisch ist: Vier Sätze, wobei sich zwischen den gesanglichen Mittelsatz und das rasche Finale eine Fuge schiebt, die freilich keine allzu kühnen kontrapunktischen Spielereien birgt, sondern als letztes Relikt aus dem Barock durchaus schon den moderneren, homophonen Hörgewohntheiten Tribut zollt.

Das ensemble »Marsyas« hat Sonaten und Konzerte Faschs zu einem bunten Hörabenteuer gemixt. Quartette für unterschiedliche Besetzungen - darunter mit Blockflöte oder Horn (!), ein Fagott- und ein Blockflötenkonzert. Wobei die Quartett jeweils dem Kirchensonaten-Genre angehören, die Concerti aber dem modernen italienischen dreisätzigen Genre - und auch schon in "klassische" Klangbereiche vorausweisen.

Daß die Form der Symphonie und der Sonate in schon einige Jahrzehnte vor ihrer klassischen Ausprägung sozusagen »in der Luft lag« ist eine Binsenweisheit. Mit Johann Friedrich Fasch entdecken wir einen Komponisten, der ganz abseits der bekannten, über Mannheim und die dortige »Schule« führenden Pfade einschlägige Zukunftsvisionen entwickelte.

Die Kapellmeistertätigkeit in Zerbst war freilich ähnlich jener, die wir von Bach aus Leipzig kennen - mühevoll: Drei Kantatenjahrgänge waren vollendet, als Fasch zur Selbsthilfe griff und einen deutschlandumspannenden Tauschhandel mit Kirchenkantaten anbahnte.
Bei seinem Ausscheiden aus dem herzoglichen Dienst fanden sich in der Bibliothek Werke von Telemann ebenso wie von Vivaldi.
Reich geworden ist Fasch als anhaltischer Hofkapellmeister nicht. Schulden plagten ihn lebenslang. Doch die Qualität seines Schaffens hat darunter nicht gelitten. Was aus seiner Feder erhalten blieb, kann durchaus auf eine Stufe mit dem Schaffen seiner berühmtesten Zeitgenossen gestellt werden.

Traurig einsam und schon dem Vergessen anheimgegeben starb Johann Friedrich Fasch im Dezember 1758, mitten im Siebenjährigen Krieg. Der Hofstaat war vor dem Ansturm der Preußen geflohen. Wo der bedeutende Komponist begraben wurde, wußte - wie später bei Mozart - bald niemand mehr genau zu sagen . . .

Faschs geistlichen Kompositionen pflegen noch den barocken Ton, bemühen sich aber um knappe Formen. Unter anderem hat Fasch - wie viele seiner Zeitgenossen - den Passionstext von Brockes vertont und damit ein eindrucksvollest Beispiel seines expressiven, durchaus theatralischen Vokalstils vorgelegt.




DA CAPO