BACHS WELTLICH KANTATEN

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Bach war in all seinen Funktionen nicht nur mit geistlicher Musik beschäftigt. Stets begehrten seine weltlichen Herren auch Festmusiken aller Art von ihrem Kapellmeister. Das Leben an den Höfen von Weimar und Köthen (1717-1723) mußte musikalisch verbrämt werden. Erst in Leipzig war Bach dann vor allem Kantor und für die ausgestaltung der Gottesdienste zuständig. Doch kamen immer wieder private Aufträge ins Haus, die dem kärglich besoldeten Musiker eine willkommene Auffettung seineer Einkünfte bescherten.

Bekannt und zu Zeiten viel gescholten - wenn auch damals gängige Praxis - waren Bachs Transkriptionen weltlicher Musik zu geistlichen Zwecken. Große Teile des Weihnachtsoratoriums und der Hohen Messe sind in diesem sogenannten »Parodieverfahren« entstanden.

Daß sich in Leipzig für den Thomaskantor etliche Möglichkeiten boten, auch als Kapellmeister für die »Unterhaltungsmusik« zu agieren, verdankte er einem klugen Schachzug, durch den er die Leitung des »Collegium musicum« an sich bringen konnte. Dieses, eine altehrwürdige Vereinigung, war in Leipzig von Georg Philipp Telemann einige Jahre zuvor wiederbelebt worden und erblühte unter Bach zu buntestem Leben. Bis mitte der Vierzigerjahre des XVIII. Jahrhunderts fand das »Bachische Collegium musicum« zu wöchentlichen Konzerten zusammen. Man bot Festkantaten zu besonderen Anlässen, vor allem, wenn es im kursächsischen Fürstenhaus etwas zu feiern gab. Das »Zimmermannische Caffee-Haus auf der Cather-Straße« war Zentrum dieser Aktivitäten. Im Sommer konnte sogar in Zimmermanns Garten »vor dem Grimmischen Thore« musiziert werden, wie die Zeitungs-Annoncen verraten.

Damit die Hörer informiert waren, was jeweils gesungen wurde, druckte man für jedes dieser Programm Texthefte. Und zwar, wie die überlieferten Zahlen belegen, bis zu 700 Exemplare, was darauf schließen läßt, wie groß Bachs Publikum damals war.

Carl Philipp Emanuel Bach . berichtet von der

Aufführung sehr vieler starker Musiken in Kirchen, am Hofe und oft unter dem freien Himmel, bei wunderlichen und unbequemen Plätzen.

Was die »unbequemen Plätze« beterifft, finden sich manche Details in den weltlichen Kantaten, die Bach geradezu als Freiluft-Regisseur zeigen - was der fachgemäßen Realisierung seiner Musik in Konzertsälen des öfteren entgegensteht. Beispielsweise finden sich in der stürmischen Kantate Der zufriedengestellte Äolus (BWV 205) im Schlußchor Passagen, die auf Echowirkungen aufbauen, die von weit entfernten Schallquellen ertönen sollten: In Leipzig erklangen sie anläßlich der Uraufführung dieser Auftragskomposition für die »Studentenhuldigung« im August 1725 von der Katharinenstraße her auf den Marktplatz, wo das Konzert stattfand.

Bach selbst hat diese dialogischen Effekte »eingezogen« als er sein Werk im ein knappes Jahrzehnt später bei einer Feierstunde zu Ehren des Kurfürsten im »Zimmermannischen Caffeehaus« in neuer Textierung wieder aufführte.

Übrigens hat eben diese Kantate noch einmal zwanzig Jahre später - als der Vater bereits das Zeitliche gesegnet hatte - Bachs Sohn Wilhelm Friedemann - wiederum mit neuem Text versehen - zu Ehren Friedrichs des Großen in der Liebfrauenkirche Halle/Sale aufgeführt.