Englische Suiten
Die Englischen Suiten gehören mit den »Französischen« Suiten und den »Partiten« zu den drei großen Suiten-Zyklen, die Johann Sebastian Bach veröffentlicht hat. Warum sie englische Suiten heißen, hat noch niemand recht erklären können. Ließ sich doch in Bachs Zeiten gewiß der italienische vom französischen Stil unterscheiden, mischten sich die beiden vielleicht auch in deutschsprachigen Landen zu einer besodneren Melange - aber einen englischen Stil gab es im Barock gewiß nicht, jedenfalls nicht in einem Sinn, der europaweit für Kundige zu identifizieren gewesen wäre.Sicher scheint, daß die Englischen Suiten Bachs frühesten Versuch in diesem Genre darstellen. Stilistisch sprechen viele Details dafür, daß sie älter als die nachweislich 1722 entstandenen Französischen Suiten und übrigens auch älter als die vermutlich um 1720 geschriebenen Cello-siten sein dürften. Die Forschung datiert den ersten Klaviersuiten-Zyklus in die Köthener Kapellmeisterzeit des Komponisten, also zwischen 1717 und 1720, vielleicht sogar zurück in die davor liegende Weimarer Periode. Dem würde entgegenstehen, daß manche Forscher eine Verwandtschaft der ersten der Suiten mit Georg Friedrich Händels Suite in der gleichen Tonart, A-Dur, zu erkennen meinen. Diese allerdings erschien erst 1720 in Druck.
Ein Manuskript Bachs besitzen wir nicht. Die Werke dürften jedenfalls für den Unterrichtsgebrauch verwendet worden sind - dankenswerterweise haben Schüler die Suiten abgeschrieben! Gerüchteweise wurden sie für »einen vornehmen Engländer« komponiert, was den Namen erklären würde, wofür sich aber nicht die geringste Evidenz finden läßt. Eher schon könnte es stimmen, daß sich Bach an den Suiten-Reihen des französischen Komponisten Dieupart orientiert hat - da lassen sich musikalische Verwandtschaften ausmachen - und Dieupart lebte in England&nbsop;.&nbsop;.&nbsop;.
Bach nutzt in den meisten seiner Suite-Kompositionen die in Deutschland gängige Abfolge von Allemande - Courante - Sarabande und Gigue und reichert sie mit zusätzlichen Tänzen und sonstigen Intermezzi an, etwa Gavotten oder Menuetten. Außerdem stellt er jeder Suite ein Präludium (oder in anderen Suiten-Reihen eine »Ouvertüre«) voran. Abgesehen von der knappen Introduktion zur Suite Nr. 1 stellen diese Präludien gewichtige Sätze von festlichem Zuschnitt dar, orientiert an der Form der ersten Sätze italienischer Concerti der Zeit, an denen sich Bach in aller Regel auch in seinen Instrumentalkonzerten orientiert. In Bachs Gebrauch hießen die Suiten auch nicht englische, das ist eine Erfindung späterer Generationen, sondern »Preludes avec leurs Suites«
Trotz der oft groß dimensionierten Klängen lassen sich die Englischen Suiten alle nicht nur auf einem Cembalo, sodern auch auf dem intimeren Clavichord musizieren. Bach spart nmämlich die dem Cembalo zugngliche tiefste Baßlage fast durchwegs aus, die dem Clavichord fehlt.
Eine Ausnahme macht lediglich die Suite in A-Dur, die erste in der Folge der Druckausgabe, die auch stilistisch ein wenig ausschert und möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt (sehr wahrscheinlich früher) komponiert worden ist als die fünf folgenden Stücke. Im übrigen dürfte Bachs Konzeption des Suiten-Zyklus vor der Drucklegung auf eine Steigerung der Wirkung bedacht genommen haben: Die Reihe gipfelt tatsächlich in den Suiten Nr. 5 und 6. Die letzte Suite ist besonders großzügig dimensioniert und fungiert als krönender Abschluß. Die Stücke selbst hält Bach (mit Ausnahme von Nr.»2) durch enge thematische Verbindungen zwischen dem jeweiligen Präludium und der abschließenden Gigue zusammen. Diese Giguen nutzt Bach (vor allem in der dritten und sechsten Suite) nicht nur zum schwungvollen Kehraus, sondern auch zu geistreichstem kontrapunktischen Raffinement: Der Meister dier Kunst der Fuge verleugnet sich auch in seiner Unterhaltungsmusik nie.