2. August 2016

SALZBURGER FESTSPIELE

. . . und dann und wann ein weißer Elefant

Salzburger Festspiele. Krassimira Stoyanova leiht ihre Traumstimme der Danae von Richard Strauss. Es nützt so wenig wie das herrliche Spiel der Wiener Philharmoniker unter Franz Welser-Möst. »Die Liebe der Danae« scheint nicht zu retten.

In der Salzburger Chronik nimmt die vorletzte Oper von Festspielgründer Richard Strauss eine Sonderstellung ein. "Die Liebe der Danae" kam 1944 - Hitlers "totalem Krieg" zum Trotz - nach sorgfältiger Einstudierung durch Clemens Krauss und die Wiener Staatsopern-Kräfte immerhin bis zur Generalprobe. Bei dieser Gelegenheit konnte der Komponist sein Werk noch sehen. Die eigentliche Uraufführung, 1952, hat er nicht mehr erlebt.

Die Festspiele starten nach dem zum 50. Jahrestag der Uraufführung gewagten Revival nun einen weiteren Versuch mit dem Werk. Es wird, so viel sei gemutmaßt, wieder vergeblich sein. "Die Liebe der Danae" wird sich schon deshalb nie durchsetzen, weil Strauss die künstlerischen Anforderungen in geradezu irreale Höhen getrieben hat. Schon für den Jupiter der Uraufführung, Paul Schöffler, musste manche Passage transponiert werden. Doch auch die drei geforderten Tenöre - Vertreter dieser Stimmlage behandelte Strauss ja notorisch grausam - haben in der "Danae" zu leiden.

Ungewollte "Nibelungen"-Persiflage

Wobei zwei davon im Charakterbereich angesiedelt sind und sich in dieser Aufführung brillant schlagen: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke gibt zappelnd und nervös den abgebrannten, von seinen Gläubigern, dem virtuos in harmonischem Durcheinander geifernden Staatsopernchor, geplagten König Pollux. Norbert Ernst hingegen hat im dritten Aufzug einen hinreißenden, geradezu kabarettreifen Auftritt als zynischer Merkur - ein altgriechischer Bruder im intriganten Geist von Wagners Loge.

Wobei weite Teile des Texts von Joseph Gregor ohnehin wie eine ungewollte "Nibelungen"-Persiflage anmuten. Der Komponist hat seinem ungeliebten Librettisten während der Arbeit bissig den "Homer-Jargon" auszutreiben versucht. Die holprigen Wagneriana blieben stehen. Darunter leidet besonders die Figur des Jupiter, den mit Tomasz Konieczny diesmal einer der herausragenden Wotan-Interpreten unserer Zeit gestaltet. Mit Charisma und ausdrucksvollem Parlando (in der behutsam in Flüstertöne zurückgenommenen "Maja-Erzählung") kann er nicht vertuschen, dass ihm die extreme Tessitura der Partie mindestens so zu schaffen macht wie die Tatsache, dass sich Danae nicht für ihn, den allmächtigen Gott, sondern für Midas entscheidet. Der ist zwar ein armer Eselstreiber, aber zu menschlicher Liebe fähig.

Den Entwurf zur "Danae" schrieb einst noch Hofmannsthal - als Strauss ihn im Gefolge der "Ariadne" um ein leichtes, ja operettenhaftes Antikenlibretto gebeten hatte. Von dieser Offenbachiade ist nichts geblieben; nur Regisseur Alvis Hermanis staffiert die weißen Kachelwände seines Bühnenbilds mit üppigen Teppichen und knallbunten, weit geschwungenen Orientgewändern und Turbanen musicalhaft aus. Er lässt auch ein Dutzend Tänzerinnen in glitzernden Trikots fortwährend herumzappeln, nicht zuletzt, um den Goldregen zu simulieren, mit dem Jupiter die spröde Geliebte umgarnt.

Doch die Realität von Strauss' Musik nimmt eher den schweren deutschen Musiktheaterton von Gregors Text auf als die romanisch-geistreiche Antikenbeschwörung, die Hofmannsthal im Sinn hatte.

Vor allem aber mangelt es dieser Partitur an melodischen Eingebungen und motivischer Prägnanz. Es mögen einige Situationen der Handlung berührend wirken; die Musik tut es nie. Was an weiten Gesangsphrasen zu finden ist, scheint kunsthandwerklich fein gesponnenes, aber uninspiriertes Garn. In Salzburg adelt es der Edelsopran von Krassimira, die wirklich berückend schön singt. So schön, dass Dienerin Xanthe (Regine Hangler) im "Gold-Duett" nicht mithalten kann.

Herrlicher "Klang ohne Musik"

Den Darsteller des Midas denkt Strauss sich vollends als die sprichwörtliche tenorale Eier legende Wollmilchsau, lyrischer wie heldischer Töne in allen Lagen fähig; diesen Sänger gibt es nicht. Gerhard Siegel, auch er an sich Charaktertenor, schlägt sich tapfer, mehr wäre in unserem Opern-Äon von keinem Kollegen zu erwarten!

Den satt strömenden Edelgesang der Stoyanova würdig zu fassen, wagen aber die Philharmoniker unter Franz Welser-Möst. Aus dem Orchestergraben klingt und schwingt es, surrt und flüstert, schmeichelt und vibriert. Alles ist Farbe, leuchtende Harmonie, euphorisch, aufgeputscht, melancholisch, je nach Situation; allein es ist eine akustische Orgie ohne Rückgrat, Klang ohne Musik, sozusagen. Nach Fallen des Vorhangs erinnert man sich gewiss keiner einzigen kompositorischen Sequenz; sicher hingegen an den großen weißen Elefanten, auf dem Jupiter im ersten Akt einzieht und der immer wiederkehrt wie das lieb gewordene Pendant in Rilkes "Karussell".

Auch ein Esel, der zweimal über die Bühne geführt wird, bringt uns näher an die Arena di Verona; nur an der "armseligen Hütte" des Midas muss Salzburg scheitern. Im großen Festspielhaus wird sie zur Teppichmanufaktur auf geschätzten 600 Quadratmetern; mit dreizehn Webstühlen, an denen zunächst noch (!) verschleierte Sklavinnen arbeiten.

Apropos: Das Stück spielt in Syrien. Dass man das einmal als politische Anspielung missverstehen könnte, konnte anno 1952 noch niemand ahnen . . .





 

↑DA CAPO