Götz Friedrich

Der Regisseur und Intendant über die Opernsituation im wieder vereinigten Berlin.

Februar 1994
»Wir können nur reden, reden, reden, daß man uns die drei Opernhäuser in dieser Stadt läßt.«
Ein Gespräch.




»Was ich schon nicht mehr hören kann ist der Satz: Die Häuser müssen jetzt Profil beweisen. Also: Entweder man hat eins. Oder man findet eins. Wir haben ja unser Profil. Die Komische Oper von Harry Kupfer hat ihr Profil. Und die Staatsoper unter den Linden will und muß eine neue Identität finden. Sie holt auch auf, nicht zuletzt auch durch Budget-Unterstützungen, um es mal gelinde zu sagen.«

Götz Friedrich, Chef der »Deutschen Oper« im Westen seit 13 Jahren, weiß wovon er spricht. »In dieser Stadt hat es immer drei Häuser gegeben. Jetzt will man uns weismachen, das sei ein Relikt der Frontstadtzeit. Das ist doch albern. Wir haben hier heute einen Einzugsbereich von über fünf Millionen Menschen. Verglichen etwa mit dem Rheinland haben wir also jedenfalls nicht zuviele Häuser.«

»Auch die Konkurrenz ist wichtig. Es ist gut, nicht einen Vordampfer zu haben samt einem kleinen Haus, wie das in Wien ist, sondern zwei große Häuser, die gegeneinander antreten.«
Das dritte Haus, in Berlin die sogenannte »Komische Oper«, »fungiert dann sozusagen als produktiver Störfaktor«.
Im übrigen ist und bleibt Friedrichs Deutsche Oper das »große« Berliner Haus mit fast 2000 Plätzen. Die Staatsoper unter den Linden faßt nur etwa 1400 Personen. Dennoch hat die von Daniel Barenboim künstlerisch geführte Lindenoper im Budget schon beinahe gleichgezogen - »obwohl im Osten nur 80 Prozent der Westlöhne bezahlt werden«, kommentiert Friedrich.

Mit Rarität nach Wien

In der letzten Spielzeit hat er sich gleich dreimal als Regisseur in die Schlacht geworfen und dreimal gepunktet: Mit dem Rosenkavalier, den Meistersingern und dem Maskenball erntete er viel Kritikerlob und volle Häuser.

Jetzt kommt, wie Friedrich das nennt, »eine Periode, wo wir wieder ein bißchen unvorsichtiger im Blick auf die Kasse sind.« Ein Schönberg-Bartok-Doppelabend mit Erwartung und Blaubart kommt demnächst auf die Bühne, eine Uraufführung steht ins Haus, in der nächsten Spielzeit inszeniert das Enfant terrible John Dew den Chénier, und Francis Poulencs Dialoge der Karmeliterinnen soll das Repertoire um eine weitere Rarität ergänzen.

»Das ist alles riskant, aber wichtig«, meint der Intendant, dessen Schönberg/Bartok-Kombination übrigens mit Veränderungen von der Wiener Staatsoper übernommen wird.
Diesen »Schulterschluß« will Friedrich - »nicht übertrieben, aber unbedingt« fortsetzen. »Das ist unsinnig bei Aida oder Tosca, aber bei Raritäten ideal. So steht etwa Enescos jüngst von der Schallplatte wiederentdeckter Oedipe zur Diskussion. In Berlin wird er auf jeden Fall gezeigt«, steht Friedrich zur Repertoire-Struktur seines Hauses.

Die Musical-Mode

Als langjähriger Mitstreiter für die Sache der leichten Muse im Theater des Westens ist Friedrich, heute ganz Opernchef, übrigens skeptisch angesichts der derzeitigen Musical-Welle: »Überall werden neue Musical-Bühnen eröffnet, als ob das das Allheilmittel wäre. Das ist ein Irrtum. Wo ist denn das tolle neue Musical?
Die Stücke werden ja nicht besser, die da nachkommen.
Ich glaube, das ist nur eine sehr kurzfristige Modewelle.«

↑DA CAPO