September 1996

Ljuba Welitsch

Weltstimme der großen Leidenschaft

Als Salome wurde sie zur Legende: Ljuba Welitsch war eine der leidenschaftlichsten Sängerinnen der Operngeschichte.

Sie hat sich, ihre stimmlichen Mittel zumal, verbrannt, kommentierten viele das frühe Ende der Opernkarriere von Ljuba Welitsch. Freilich: Sie war eine Künstlerin, die sich eine Existenz auf der Bühne anders wohl kaum vorstellen konnte. Wer sich nicht ganz und gar in die musikalisch-szenische Schlacht wirft, erreicht solche Höhen, wie sie die Welitsch ihrem Publikum erschloß, nie und nimmer.

Ein Vulkan, der Musik ausspie, als wäre sie gerade jetzt und hier entstanden - und hätte nicht der Vermittlung bedurft, wie sie der Interpret zwischen dem Schöpfer und dem Publikum herzustellen hat! Das Urwüchsige, das Feurige, die lodernden Leidenschaften waren die Markenzeichen der Welitsch. Wenn sie sang, klang es nach Naturereignis.
Die Aufnahmen, die sich von ihrer Kunst erhalten haben, können das, unzureichend wohl, aber doch auch heutigen Musikfreunden noch vermitteln. Wer nach makelloser Phrasierung und absoluter Tonschönheit sucht, wird mit den Aufnahmen der Welitsch nicht glücklich werden. Wer aber zu Herzen gehenden Ausdruck sucht, unmittelbar berührt werden will, die "Geschichte" erzählt bekommen möchte, für den sind sie eine Fundgrube.

Am Beispiel "Ballo in maschera"Unter Rudolf Moralt hat Welitsch unter anderem de beiden Arien der Amelia aus Verdis "Maskenball" aufgenommen. Dokumente hoch-expressiver Gestaltungskunst, die freilich an den extremen Punkten von Verdis Stimmführung manchmal unausgeglichen klingen, aber in der Ausdeutung des Textes von großer Intensität sind.
Die psychologische Durchdringung ist vollkommen - man höre nur die ersten Phrasen der es-Moll-Arie ("Morro, ma prima in grazia"), die in fragilem Piano Verdis Anweisung con dolore mit vokalem Leben erfüllen.


Diese Mitschnitte können verständlich machen, daß viele, die ihre Salome erleben durften, danach mit keiner Sängerin mehr ganz zufrieden waren.
Ein Erdenrest blieb immer.
Nur bei der Welitsch stand die verführerische orientalische Prinzessin leibhaftig auf der Bühne.
Oder die Musette, die Giulietta, die Giuditta, um bei den sinnlichen "Weiberrollen" zu bleiben, in denen sich diese Sopranistin unauslöschlich ins Gedächtnis der Opernwelt eingegraben hat.

Freilich: Sie war auch eine phänomenale Donna Anna, eine zauberhafte Tatjana, eine Aida, deren Nilarie von seltener Innigkeit und Ausdruckskraft war. Auch dort, wo leise, verhaltene Klänge gefragt waren, vermochte diese Stimme zum Kern der musikalischen Aussage vorzudringen. Der Totaleinsatz, den Ljuba Welitsch auf den großen Opernbühnen der Welt bot, im Theater an der Wien, in der Staatsoper, in Berlin, New York, bei den Salzburger Festspielen, forderte rascher seinen Tribut, als dem Publikum lieb gewesen wäre.

Die Künstlerin war sich nicht zu schade, danach noch im Film, aber, Bühnenmensch, der sie war, auch in kleinen Rollen ihren Charme und ihre Kunstfertigkeit unter Beweis zu stellen.

Die gerade in Wien besonders anhängliche Verehrergemeinde hat der Sängerin die Treue gehalten und sie bis zuletzt als liebenswerten Menschen und hellwachen Gesprächspartner geliebt.

Anfang September 1996 ist Ljuba Welitsch kurz nach ihrem 83. Geburtstag in einem Wiener Spital gestorben.

↑DA CAPO