*** SINKOTHEK ** PORTRAIT ***
   Interview 1994   
   

Zum Helden, nicht zum Wüstenschiff geboren

Peter Seiffert über seine Karriere    (Herbst 1996)

Peter Seiffert, der neue Zürcher Parsifal, wird in dieser Partie am Montag auch in Linz zu hören sein. Vom Mozarttenor zum Wagnerhelden: Der Sänger im Gespräch über seine Karriere.

"Ach, das ist naturgegeben", sagt Peter Seiffert auf die Frage, wie man ungehindert vom Tamino zum Parsifal mutieren könne. "Man wird doch mit seinem Fach geboren. Es gibt Soubretten, die auch mit 80 noch nichts anderes sein können. Und es gibt junge Sänger, bei denen man mit 20 merkt, daß ihre Stimme für große Aufgaben bereit ist. Die Entwicklung kommt dann eigentlich von selbst. Es geht nur darum, die Anlagen richtig zu entwickeln und sich nicht vorzeitig kaputt machen zu lassen."

Zum Zwecke der dazu nötigen Kontrolle gab es früher einmal Dirigenten und Gesangslehrer, auf die Sänger ganz und gar vertrauen konnten. Heute sind solche verläßliche Führungsfiguren rar geworden, kommentiert Seiffert die gegenwärtige Ausgangsposition für Sängerkarrieren. Aus dem Mangel an kluger Beratung und Führung resultiert manch schnelles Ende einer vielversprechenden Karriere. Junge Sänger muten sich, angestachelt von frühen Erfolgen, allzu schnell zu große Aufgaben zu.
Peter Seiffert: "Das wichtigste ist die Pflege einer Stimme. Heutzutage ist aber nicht einmal auf Gesangslehrer mehr Verlaß. So eine Lichtgestalt, die's nicht nur gut meint, sondern auch gut macht, gibt es kaum. Und die, die irgendwie am Drücker sind, die wollen immer mitmischen und treiben oft ihre Schüler in die falsche Richtung. Ich habe so wichtige Leute, die am Hebel sitzen, nicht gehabt. Meine Karriere habe ich nur wegen meiner Stimme gemacht. Als junger Sänger habe ich die konsequente Pflege sehr vermißt. Jetzt nicht mehr. Ich weiß mittlerweile schon selber, wie weit ich gehen kann."

Lohengrin, Parsifal, zuletzt in Bayreuth ein sensationeller Walther von Stolzing: Seiffert hat sich im Wagnerfach etabliert und erntet jubelnde Begeisterung, was möglicherweise auch daran liegt, daß er überzeugt ist: "Wagner kann, ja muß man italienisch singen. Die Stimme blühen lassen. Das Problem beim Wagnersingen ist ja nicht das Brüllen. Die Länge der Partien erfordert enorme Kondition."

Ob der Weg noch weiter zu verfolgen ist, weiß Seiffert nicht: "Vielleicht wird es einmal einen Tristan geben", sinniert der Sänger, "vielleicht niemals den Siegfried. Bin ich aber gar nicht traurig darüber!" Seiffert würde gern viel mehr Mozart singen, aber auch italienisches Fach. "Das Problem ist, daß die Intendanten, sobald sie hören, daß einer Wagner singt, ihm nur mehr Wagner anbieten. Da ist man schnell ausgebucht bis ans Sängerende. Das ist traurig, denn die Zeit ist knapp."
Die neuen Partien, die vielleicht auf Seiffert zukommen, will er vorsichtig angehen, "in Produktionen, die auf mich zugeschnitten sind". Damit könnte ihm nach dem Erreichen des "Wagner-Plateaus" so etwas wie "Neubeginn" gelingen: "Man muß hin und wieder den Sandkasten umstülpen und neu darin herumwühlen, um zu sehen, was da noch möglich wäre. Ich möchte auch gerne einmal den Alvaro singen, später dann den Othello, der ist die Krönung. Aber ich will auch, solang es noch geht, den Tamino singen. Ich habe 17 Kilo abgespeckt. Jetzt passe ich wieder in die Kostüme rein. Das ist im Fernsehzeitalter wichtig. Da kann man nicht als Wüstenschiff über die Bühne segeln, man muß dem Bild von einem Helden entsprechen, nicht nur stimmlich."

↑DA CAPO