Irmgard Seefried
1919- 1988
Irmgard Seefried stammte aus dem Allgäu und stieß als 22jähriges Talent zum Wiener Opernensemble in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Ihr Wiener Debüt feierte sie als Eva in Wagners Meistersingern von Nürnberg. Richard Strauss selbst bestimmte die Künstlerin zum Komponisten in der Festaufführung seiner Ariadne auf Naxos, die Direktor Karl Böhm im Rahmen eines veritablen Strauss-Festivals an der Wiener Staatsoper aus Anlaß des 80. Geburtstags des Komponisten leitete. Strauss erinnerte sich wohl an die Uraufführung des Werks, 1916, im selben Haus, als er die junge Lotte Lehmann entdeckte und als Komponist einsetzte. In der Seefried mit ihrer jugendfrischen, zu jubelnden Tönen, vor allem aber zu höchster Verinnerlichung fähigen Stimme erkannte der alte Meister eine Zukunftshoffnung. Sie hatte schon am 7. Juni 1944 im Musikverein unter Joseph Keilberth in einem Festkonzert zu Strauss' Geburtstag fünf Orchesterlieder gesungen. Der Komponist zog sie im Briefwechsel mit Karl Böhm auch ernstlich für die Rolle der Gräfin Madeleine anläßlich der Wiener Erstaufführung seines Capriccio in betracht (die Seefried hat diese Partie allerdings nicht gesungen). Die Aufzeichnung der Geburtstagsvorstellung der Ariadne am 11. Juni 1044 durch den deutschen Reichsrundfunk bewahrt diesen bedeutenden Moment in der Karriere der Sängerin für die Nachwelt auf - die Jubiläums-Ariadne von 1944 kam auf Schallplatten und später in allen akustischen Formaten in den Handel und galt von Anfang an als mustergültige Wiedergabe des Werks.Seefried erfüllte in der Folge die in sie gesetzten Erwartungen und wurde mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs des Wiener Ensembles - zunächst in der Volksoper, dann im Theater an der Wien - zu einer der wichtigsten Protagonistinnen.
Aus dem Wiener Musikleben war sie nicht mehr wegzudenken - was sich auch in Husarenstücken der jungen Künstlern bewies: 1946 rettete sie eine Aufführung von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen im Theater an der Wien, indem sie unmittelbar nach einer Aufführung von Bachs Matthäuspassion (!) die Partie der Antonia übernahm.
Ein KünstlerPortrait in der »Weltpresse« portraitierte die Sängerin damals stolz als besonders vielseitiges Mitglied des Wiener Ensembles.
Ihre Kunst ist in zahlreichen Aufnahmen dokumentiert, die eine mit der Zeit in der Höhe ein wenig angestrengt klingende, immer aber beseelt singende Sopranstimme hören lassen, die zu höchster Expression fähig war. Ihre Pamina-Arie, ihr Solo in Brahms' Deutschem Requiem, ihre Meistersinger-Eva, die Figaro-Susanna, die Fiordiligi (Così fan tutte) gaben Beispiele herausragender Gestaltungskunst, stets spürbar aus dem Textgehalt geboren, der ganz natürlich in musikalische Phrasen verwandelt wird. So wurde Seefried auch zur exzellenten Lied-Sängerin: Im »Duett« mit Dietrich Fischer-Dieskau brachte sie eine viel beachtete Aufnahme von Hugo Wolfs Italienischem Liederbuch heraus, die zumindest auf ihrer Seite nebst inniger Empfindung auch Witz und, wo nötig, auch einen Tropfen Bosheit hörbar werden lassen, womit Wolfs »kleiner - großer« Kosmos in allen Facetten lebendig wird.
Kritik wurde hie und da laut, weil der Gesang der Seefried zu Manierismen neigte. Der Rezensent des Wiener Kurier lobte die Gestaltung von Gesängen Hugo Wolfs anläßlich eines Liederabends im November 1947, monierte aber, daß
die kaum angedeuteten Konsonanten das Verständnis der Worte sehr schwer machten.Überdies sei die Wiedergabe von Mussorgskys Aus einer Kinderstube problematisch gewesen. Das Werk
... verträgt keine Übersteigerung. Irmgard Seefried übertrieb jedoch in jeder Hinsicht, sie schmollte, weinte, lachte und plapperte, nicht mit der Naivität eines Kindes, sondern wie eine sehr charmante, selbstsichere Diva, die weiß, daß sie damit einen großen und billigen Publikumserfolg haben wird. Irmgard Seefried hat ihn gehabt.Doch siegte der Charme dieser Künstlerin in der Regel über stilistische und gesangstechnische Bedenken. Das Publikum liebte die Seefried und schwärmte wie schon der Rezensent nach ihrem ersten Nachkriegs-Liederabend:
Wie reizvoll weiß Irmgard Seefried etwa bei Mozarts Wiegenlied mit Halbtönen zu tändeln, mit welch geschmeidiger Anmut vermag sie Schuberts Auf dem Wasser zu singen zuphrasieren und Schwelltöne anzusetzen; wie warm und innerlich singt sie Brahms' Mainacht und wie schwungvoll eine Gruppe von oseph Marx! Der seltene gesamtkünslerische Genuß´dieses Konzerts rief das Verlangen nach einem eigenen Hugo-Wolf-Abend wach.Ein reines Hugo-Wolf-Programm gab es dann Ende Fünfzigerjahre sogar bei den Salzburger Festspielen. Der Livemitschnitt läßt durchaus nachvollziehen, wie die Künstlerin einen Abend lang ihr Publikum zu fesseln wußte. (Orfeo)Neues Österreich, 14. Oktober 1945
Für Dirigenten wie Furtwängler, Böhm oder Karajan war Seefried erste Wahl bei lyrischen Sopranpartien. Entsprechend viele Livemitschnitte (und Studioaufnahmen) existieren, von Furtwänglers Salzburger Festspiel-Zauberflöte über Mozart-Premieren-Aufnahmen von Mozart-Opern unter Böhm bis zum Freischütz unter Eugen Jochum.
Für Karajan sang die Seefried im Plattenstudio die Figaro-Susanna und die Pamina, aber auch Duette mit Elisabeth Schwarzkopf: Mit der Kollegin machte sie auch Duo-Aufnahmen mit Gerald Moore, die zu einem Bestseller wurden.