Paul Schöffler
1897 - 1977
Paul Schöffler stammte aus Dresden, wurde in seiner Heimatstadt ausgebildet und von Fritz Busch an die Semperoper engagiert, wo er als Heerrufer in Wagners Lohengrin (nach anderen Quellen als einer der Meister in den Meistersingern) 1924 debütierte.Die rege Ur- und Erstaufführungstätigkeit jener Ära bescherte dem Künstler zunächst vor allem Auftritte in zeitgenössischen Opern - darunter so spektakuläre Premieren wie jene von Busonis Doktor Faust (1925) und Hindemiths Cardillac (1926). Bald galt Schöffler als Geheimtip unter Opernfreunden. Als 1928 Mozarts Don Giovanni neu einstudiert wurde, sang in der Premiere zwar noch Kollege Robert Burg (1890-1946), eine der Stützen von Fritz Buschs Verdi-Ensemble und nachmals Bayreuther Alberich, die Titelpartie, doch in der ersten Reprise nutzte Schöffler seine Chance. Die Kritik befand:
Erfüllung brachte erst Paul Schöffler, der in der Wiederholung die glänzendste Talentprobe ablegte.
Wiener Staatsoper
Bruno Walter holte Schöffler 1937 an die Wiener Staatsoper wo der Sänger bis zu seinem Abschied als Hohepriester in Mozarts Idomeneo, 1972, Mitglied des Ensembles blieb. Die wichtigsten Partien in Schöfflers Repertoire waren Mozarts Graf Almaviva (Figaro), der Don Alfonso in Cosí fan tutte, der Sprecher in der Zauberflöte und der Don Giovanni, außerdem der Musiklehrer in Strauss' Ariadne auf Naxos,
Schicksalspartie Hans Sachs
Schöfflers berühmteste Rollen-Charakterisierung galt aber wohl dem Hans Sachs in Wagners Meistersingern von Nürnberg. Die Aufnahme unter Hans Knappertsbusch, die Anfang der Fünfzigerjahre in Wien entstand, gilt bis heute als maßstabsetzend, wobei gewiß einige - nicht viele! - Baßbaritone die Partie des Schuster-Poeten schöner gesungen haben; an Vergeistigung und kluger Durchdringung des Textes und seiner musikalischen Umsetzung hat es kein Sachs der folgenden Generationen Schöffler gleichgetan.Wiener Ensemblegeist
Im Wiener Ensemble bildete Schöffler eine der tragenden Säulen. War Figaros Hochzeit angesetzt, konnten Musikfreunde ziemlich sicher sein, daß er den Grafen singen würde - allerdings wechselte er hin und wieder mit Kollegen wie Hans Braun und sang den Figaro...Den hatte er in Österreich bereits 1937, noch als Dresdner Ensemble-Mitglied, anläßlich eines Gastspiels im Salzburger Landestheater gesungen. Damals hieß es in der Rezension:
Paul Schöffler ist ein beweglicher Figaro von schlankem Wuchs, kein Revolutionsmann und keiner der Eleganz, sondern eine munter sprudelköpfige, unkomplizierte Kammerdiener-Natur mit überlegenem Spiel.Was beweist, wie wandlungsfähig dieser Sänger war. Sein Graf verfügte durchaus über das genaue Gegenteil einer »Kammerdiener-Natur«.
Auf Tonträgern ist Schöffler in beiden Partien dokumentiert: Unter Karl Böhm sang er für den Reichssender Stuttgart an der Seite von Maria Cebotari (Susanna), Mathieu Ahlersmeyer (Graf) und Margarete Teschenmacher (Gräfin) den Figaro,
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In der Hochblüte seines Könnens ist Schöffler auch in Uraufführungs-Mitschnitten der Salzburger Festspiele dokumentiert: 1947 war er der Titelheld in der sensationellen Premiere von Gottfried von Einems Dantons Tod, 1952 sang er in Salzburg und danach anläßlich der Übernahme der Produktion ins Theater an der Wien den Jupiter in Richard Strauss' Liebe der Danae unter Clemens Krauss. Zu seinen wichtigen Partien gehörte auch der Jochanaan in Strauss' Salome.
Widerstand gegen Karajan
Schöffler war eine der Kristallisationsfiguren des Widerstands, den traditionsverbundene Wiener Opernfreunde gegen Herbert von Karajan übten, als dieser damit begann, das Repertoire konsequent auf Aufführungen in Originalsprache umzustellen. Für seine Neuinszenierung des Otello holte Karajan den italienischen Bariton Anselmo Colzani nach Wien, was die Verehrer Schöfflers erboste, der bis dahin der wichtigste Darsteller des Jago gewesen war - er hatte die Rolle auch in der
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Weltpresse, Wien - 30. Oktober 1945