Anneliese Rothenberger

Charme mit Glockentönen
(1924 - 2010)

Würdigung, Juni 1996

Sie war eines der charmantesten Mitglieder des legendären Wiener Opernensembles und in ihren letzten Lebensjahren sehr krank. Die Musikfreunde erinnern sich nicht nur einer wunderbaren Sopranstimmen der fünfziger und sechziger Jahre.

Mit leuchtendem, glockenhellem und immer klarem, präzisem Ton hat Anneliese Rothenberger denkwürdige Aufführungen der Staatsoper und der Salzburger Festspiele veredelt.

Lisa Della Casas kleine Schwester

Pars pro toto sei erwähnt, daß sie an der Seite von Lisa Della Casa die jüngere Schwester, Zdenka, in Richard Strauss' Arabella verkörperte und so einem von Librettist Hugo von Hofmannsthal und dem Komponisten kongenial erfundenen Bühnengeschwisterpaar ein Denkmal gesetzt hat, das für alle die dabei waren, aber auch für alle, die es heute via CD nachhören können, als Maßstab für künftige Erfahrungen gelten wird.

Die Karriere der Anneliese Rothenberger begann, wie sich das damals gehörte, Mitte der vierziger Jahre in einem veritablen Stadttheater, in Koblenz, wo man der Elevin nicht nur kleine Sopranpartien zu bewältigen aufgab, sondern sie auch in Theateraufführungen mitwirken ließ - als Schauspielerin. Berührungsängste mit anderen Genres als dem der Oper waren der Künstlerin also von Anfang an fremd.

Sie entpuppte sich auch in der jüngeren Ausformung von Mehrsparten-Anforderung allsogleich als herausragendes Talent: Das Fernsehen entdeckte in der wunderbaren Sängerin auch eine Moderatorin von Rang.

Via Bildschirm gelang es Anneliese Rothenberger, einen noch viel breiteren Publikumskreis für ihre Kunst zu begeistern, als ihr die Opernbühnen der Welt, die sie alle, alle zu Gastspielen baten, je ermöglicht hätten.

So kamen eine bezaubernde Gestalterin und eine Traumstimme der Opernwelt abhanden, als es noch nicht an der Zeit war.



↑DA CAPO