Chen Reiss
Gnädige Frau mit einem Faible für Strudel
Die Sopranistin im Gespräch vor der Premiere von »Das schlaue Füchslein« an der Staatsoper, 2014.
Die Vorbereitungen für die Premiere von Leoš Janáčeks »Schlauem Füchslein« zwingen die junge Sopranistin Chen Reiss vergleichsweise zur Sesshaftigkeit. Bei den Osterfestspielen führte sie das Solistenquartett anlässlich der Aufführungen von Mozarts Requiem unter Christian Thielemann an, dann sang sie Glucks »Orpheus« im Wiener Musikverein, gab einen Liederabend in Berlin und besuchte zwischendrin noch ihre Familie in Israel. "Meine kleine Tochter",erzählt sie, "ist inzwischen in London geblieben, wo wir zu Hause sind. Sie ist elf Monate alt! Aber jetzt ist sie natürlich bei mir in Wien. Denn während der Proben für diese Janáček-Premiere bleibe ich hier-eine schöne, lange Zeit bis zum Ende der Aufführungsserie am 30. Juni."
In Wien ist Chen Reiss geradezu verliebt: "Hierherzufliegen, das hat immer etwas von nach Hause kommen! Ich muss zugeben: Es hat gedauert, bis ich die Menschen hier verstanden habe, aber mittlerweile finde ich, dass Wien die beste Stadt zum Leben ist. Ich habe eine Zeit lang in New York gewohnt, dann in München, habe ein bisschen Zeit in Paris und in Florenz verbracht. Aber in Wien ist die Lebensqualität doch am höchsten." Die gute Note, die Wien von Chen Reiss erhält, hat auch, so sagt sie, mit dem "Wiener Humor zu tun, der manchmal ein wenig zynisch ist-anfangs habe ich mir ja mit dem wienerischen Deutsch schwergetan, vor allem, sobald einige Dialektwörter dazugemischt waren." Damit hat sie jetzt keine Probleme mehr. Sie liebt es, dass "alles, was ich brauche, in der Inneren Stadt zu finden ist. Ich kann überallhin zu Fuß gehen. In London verbringt man immer Stunden in der U-Bahn." Die Wiener Küche tut ein Übriges dazu, dass Chen Reiss sich hier wohlfühlt: "Das hat mit meiner Familie zu tun. Meine Großmutter stammt aus Ungarn. Sie hat uns Enkelkindern immer Gulasch gekocht. Mit ihrem Apfelstrudel sind wir groß geworden. Dass ich nicht danach aussehe, hat mit meiner Kleinen zu tun, der ich ständig hinterherrennen muss."
"Oh, gnädige Frau!" Dann ist da-natürlich-auch die musikalische Komponente. "Man hat das Gefühl, dass die Menschen hier von der Musik erfüllt sind. Das Publikum ist sehr treu und lebt wirklich mit. Die berühmten Taxigeschichten sind nicht übertrieben: Mich hat ein Fahrer gefragt, was ich mache, und als ich gesagt habe, ich sei Opernsängerin, hat er große Augen gemacht:, Oh, gnädige Frau!'"In dieser Stadt Mozart zu singen, sagt Chen Reiss, "das wird immer etwas Besonderes für einen Sänger bleiben! Und Richard Strauss natürlich. Ich habe ja mit der Sophie an der Staatsoper debütiert und meine erste Pamina hier gesungen",erzählt sie nicht ohne Stolz. Sie hat gelernt, "dass man in einem Stück wie dem, Rosenkavalier' nicht auftreten darf, ehe man nicht wenigstens ein paar Wochen in Wien gelebt hat. Ich erinnere mich noch gut, dass ich viele Pointen des Hofmannsthal-Textes nicht verstand und dass mir Alfred Šramek damals ungeheuer viel geholfen hat." Das Wiener Ensemble, das Wiener Publikum: "Es ist wie in einer Familie." Diesmal singt sie Janáček-im tschechischen Original und auch sonst auf höchsten Naturalismus bedacht. Dafür sorgt Otto Schenk, der nach vielen Jahren endlich wieder einmal eine Opernregie in Wien erarbeitet. Die Sänger umgarnt der Altmeister mit Charme: "Das Konzeptionsgespräch", erzählt die Darstellerin der Titelheldin, "war unglaublich lustig, denn Schenk hat alle Tiere imitiert. Er will, dass unsere Körpersprache nichts Menschliches hat, dass wir wirklich schauen, wie Füchse, Hunde, Mücken oder Dachse sich bewegen. Er will, dass wir uns verwandeln-und hat uns das mit jugendlichem Elan vorgespielt! Ich weiß gar nicht, wie wir das machen werden; jedenfalls werden wir viel auf dem Boden herumkrabbeln müssen", auf einem wirklich erdigen Untergrund "mit Hügel und Wurzeln",den Amra Buchbinder entworfen hat.
Erstmals ein Tier. "Ich war ja noch nie ein Tier auf der Bühne",sagt sie, "was das Krabbeln betrifft, hilft es mir natürlich, wenn ich meine kleine Tochter beobachte, sie macht gewisse Dinge wirklich noch wie ein junges, süßes Hündchen, ist aber natürlich schon ziemlich schlau"wie das Füchslein. "Dieses ist ziemlich menschlich gezeichnet von Janáček, ein wenig naiv oder sagen wir besser: schlicht. Auch wenn die Füchsin alles bekommt, was sie sich in den Kopf setzt. Da agiert sie unglaublich raffiniert. Aber in der Liebesszene wirkt sie dann wieder geradezu unschuldig.. ."Andererseits geht es recht deftig zu in dem zauberhaften Stück, das der Komponist nach einer Cartoonserie in einer mährischen Zeitung gestaltet hat. Die Entscheidung, das Werk auf Tschechisch zu geben, fiel auch, weil die Melodik Janáčeks kleinteilig aus der Sprache entwickelt ist. Für die Sänger ist das nicht einfach: "Ich habe viel Zeit damit verbracht, Janáčeks Musik zu hören und den Tonfall des Tschechischen zu studieren. Ein Sprach-Coach hilft mir." Otto Schenk lässt sich während der Proben "jedes Wort ins Ohr flüstern".Dabei gibt es nicht nur Hochsprache, sondern auch Brünner Dialekt und drastische Schimpfwörter, wenn die Füchsin den Dachs aus ihrer Höhle jagt.
In Wien ist Chen Reiss geradezu verliebt: "Hierherzufliegen, das hat immer etwas von nach Hause kommen! Ich muss zugeben: Es hat gedauert, bis ich die Menschen hier verstanden habe, aber mittlerweile finde ich, dass Wien die beste Stadt zum Leben ist. Ich habe eine Zeit lang in New York gewohnt, dann in München, habe ein bisschen Zeit in Paris und in Florenz verbracht. Aber in Wien ist die Lebensqualität doch am höchsten." Die gute Note, die Wien von Chen Reiss erhält, hat auch, so sagt sie, mit dem "Wiener Humor zu tun, der manchmal ein wenig zynisch ist-anfangs habe ich mir ja mit dem wienerischen Deutsch schwergetan, vor allem, sobald einige Dialektwörter dazugemischt waren." Damit hat sie jetzt keine Probleme mehr. Sie liebt es, dass "alles, was ich brauche, in der Inneren Stadt zu finden ist. Ich kann überallhin zu Fuß gehen. In London verbringt man immer Stunden in der U-Bahn." Die Wiener Küche tut ein Übriges dazu, dass Chen Reiss sich hier wohlfühlt: "Das hat mit meiner Familie zu tun. Meine Großmutter stammt aus Ungarn. Sie hat uns Enkelkindern immer Gulasch gekocht. Mit ihrem Apfelstrudel sind wir groß geworden. Dass ich nicht danach aussehe, hat mit meiner Kleinen zu tun, der ich ständig hinterherrennen muss."
"Oh, gnädige Frau!" Dann ist da-natürlich-auch die musikalische Komponente. "Man hat das Gefühl, dass die Menschen hier von der Musik erfüllt sind. Das Publikum ist sehr treu und lebt wirklich mit. Die berühmten Taxigeschichten sind nicht übertrieben: Mich hat ein Fahrer gefragt, was ich mache, und als ich gesagt habe, ich sei Opernsängerin, hat er große Augen gemacht:, Oh, gnädige Frau!'"In dieser Stadt Mozart zu singen, sagt Chen Reiss, "das wird immer etwas Besonderes für einen Sänger bleiben! Und Richard Strauss natürlich. Ich habe ja mit der Sophie an der Staatsoper debütiert und meine erste Pamina hier gesungen",erzählt sie nicht ohne Stolz. Sie hat gelernt, "dass man in einem Stück wie dem, Rosenkavalier' nicht auftreten darf, ehe man nicht wenigstens ein paar Wochen in Wien gelebt hat. Ich erinnere mich noch gut, dass ich viele Pointen des Hofmannsthal-Textes nicht verstand und dass mir Alfred Šramek damals ungeheuer viel geholfen hat." Das Wiener Ensemble, das Wiener Publikum: "Es ist wie in einer Familie." Diesmal singt sie Janáček-im tschechischen Original und auch sonst auf höchsten Naturalismus bedacht. Dafür sorgt Otto Schenk, der nach vielen Jahren endlich wieder einmal eine Opernregie in Wien erarbeitet. Die Sänger umgarnt der Altmeister mit Charme: "Das Konzeptionsgespräch", erzählt die Darstellerin der Titelheldin, "war unglaublich lustig, denn Schenk hat alle Tiere imitiert. Er will, dass unsere Körpersprache nichts Menschliches hat, dass wir wirklich schauen, wie Füchse, Hunde, Mücken oder Dachse sich bewegen. Er will, dass wir uns verwandeln-und hat uns das mit jugendlichem Elan vorgespielt! Ich weiß gar nicht, wie wir das machen werden; jedenfalls werden wir viel auf dem Boden herumkrabbeln müssen", auf einem wirklich erdigen Untergrund "mit Hügel und Wurzeln",den Amra Buchbinder entworfen hat.
Erstmals ein Tier. "Ich war ja noch nie ein Tier auf der Bühne",sagt sie, "was das Krabbeln betrifft, hilft es mir natürlich, wenn ich meine kleine Tochter beobachte, sie macht gewisse Dinge wirklich noch wie ein junges, süßes Hündchen, ist aber natürlich schon ziemlich schlau"wie das Füchslein. "Dieses ist ziemlich menschlich gezeichnet von Janáček, ein wenig naiv oder sagen wir besser: schlicht. Auch wenn die Füchsin alles bekommt, was sie sich in den Kopf setzt. Da agiert sie unglaublich raffiniert. Aber in der Liebesszene wirkt sie dann wieder geradezu unschuldig.. ."Andererseits geht es recht deftig zu in dem zauberhaften Stück, das der Komponist nach einer Cartoonserie in einer mährischen Zeitung gestaltet hat. Die Entscheidung, das Werk auf Tschechisch zu geben, fiel auch, weil die Melodik Janáčeks kleinteilig aus der Sprache entwickelt ist. Für die Sänger ist das nicht einfach: "Ich habe viel Zeit damit verbracht, Janáčeks Musik zu hören und den Tonfall des Tschechischen zu studieren. Ein Sprach-Coach hilft mir." Otto Schenk lässt sich während der Proben "jedes Wort ins Ohr flüstern".Dabei gibt es nicht nur Hochsprache, sondern auch Brünner Dialekt und drastische Schimpfwörter, wenn die Füchsin den Dachs aus ihrer Höhle jagt.