Gustav Neidlinger
1910 - 1991
Alberich, lautet das Stichwort - Gustav Neidlinger war die Inkarnation von Wagners Ur-Bösewicht für zwei Generationen von Musikfreunden. Ein Sänger, von Jahrhundertformat als vokal-dramatischer Gestalter, der jede kleinste Achtelnote zur prägnanten Textausdeutung zu nutzen verstand. Neidlinger war auch als Holländer, Telramund, Kurwenal, Amfortas, Klingsor und Hans Sachs gerühmt. Er sang auch den Wotan, war aber auf dessen Nibelungen-Gegenspieler quasi abonniert. Jenseits des Wagner-Fachs gehörten seit seinem Debüt in seiner Vaterstadt Mainz, 1931, als Mitglied der Opernhäuser von Hamburg und Stuttgart Mozarts Figaro und Leporello, aber auch Beethovens Don Pizarro und der Kaspar in Webers Freischütz zu seinem angestammten Repertoire.
Solange es auf deutschen Bühne noch selbstverständlich war, auch italienische Opern in der Landessprache zu singen, war Neidlinger auch als Amonasro und Jago zu hören. Nicht vergessen werden darf über alledem, daß das Bühnentalent dieses Singschauspielers sich ganz selbstverständlich auch ins Komische weitete: vom Van Bett in Zar und Zimmermann bis zu mancher pointenreichen Operetten-Partie reichte sein Horizont.
Doch seinen Alberich hat die Musikwelt auch Jahrzehnte nach dem Rückzug dieses Künstlers von der Bühne, 1977, nicht vergessen. In den Ring-Gesamtaufnahmen, die unter Studio-Bedingungen unter Solti und Böhm entstanden, ist er zu erleben, ebenso in nahezu sämtlichen Bayreuther Mitschnitten seit Beginn der Nachkriegsfestspiele bis in die Siebzigerjahre, aber auch in der legendären RAI-Produktion der Tetralogie unter Furtwängler aus Rom.