Regula MÜHLEMANN
Die Luzerner Sopranistin mit der glockenhellen Stimme hat ein Album herausgebracht, das zeitgeistig – aber unberechtigt – als verdächtig gelten könnte.
Keine Angst, es bläst kein Alphorn auf dieser CD, auch wenn einer schweizerischen Künstlerin vermutlich sogar das erlaubt wäre. Im Übrigen ist es in Zeiten wie diesen schon bemerkenswert, wenn ein Album namens „Lieder der Heimat“ erscheinen darf.
Also deutschsprachige Heimatlieder? Nicht nur. Wie gesagt, es handelt sich um eine Künstlerin aus der Schweiz. Da spricht man ja viele Sprachen – und in allen diesen Sprachen singt Regula Mühlemann, die am 16. Februar ihr Wiener Staatsoperndebüt als Adina in Donizettis „Liebestrank“ feiern wird, auf dieser CD.
Noch ungewöhnlicher ist, dass es sich hier um ein völlig chauvinismusbefreites künstlerisches Unterfangen handelt, in dem auch Franz Schuberts „Hirt auf dem Felsen“ seinen Platz hat, dessen Klarinettensolo mit der rechten Mixtur aus Melancholie und Bravour ein Gast aus Wien bläst: der philharmonische Solist Daniel Ottensamer.
Von der Kunst und der Natürlichkeit
Diese Nummer eins dieser CD lässt auch gleich die Stärken der Sopranistin studieren, deren glockenheller Sopran sich mit sehr karg dosiertem, oft völlig vermiedenem Vibrato, also sehr gradlinig ausbreitet. Der Sopran leuchtet und jubelt zuletzt wirklich dem ersehnten Frühling entgegen. Nur die düsteren Klüfte, aus denen der Widerhall der Stimme zurücktönen soll, der liegt für Regula Mühlemann wirklich tief drunten im Tale. Mittellage und Höhe des Soprans leuchten und strahlen, ganz nach Maßgabe der Gedichte. Für die stille Freude von Othmar Schoecks „In der Fremde“ findet Mühlemann den schlichtesten Ton ebenso wie die erfrischende Klarheit für „Die Tage der Rosen“ von Wilhelm Baumgartner. Man sieht: Es ist für Musikfreunde allerhand zu entdecken in den schweizerischen Musik-Bergen. Von Baumgartner enthält die CD gleich fünf Kompositionen. Der Chorleiter aus Rohrschach zählte immerhin zum Freundeskreis von Gottfried Keller und war als Musikdirektor der Zürcher Universität mit Richard Wagner während der Zeit von dessen Schweizer Exil in engem Kontakt.
Die Brückenschläge zwischen simplem Volkston und anspruchsvollem Kunstlied gelingen Mühlemann und ihrer Kavierpartnerin Tatiana Korsunskaya insgesamt gut. Wir lernen Komponisten wie Friedrich Niggli, Walhter Geiser oder Richard Langer kennen. Wir hören anhand eines Beispiels aus den „Années de pèlerinage“, wie Franz Liszt den Anblick des Walensees in duftige pianistische Klangwellen verwandelte. Dem Klavier-Solo folgt eine A-Cappella-Studie von vollkommener Klarheit: „Das alte Guggisberger-Lied“, ein veritabler „Kuhreigen“, den Mühlemann zu veredeln weiß, indem sie ihre Gesangs-Kunstfertigkeit zu höchster Natürlichkeit nutzt. Da wäre übrigens noch Richard Flurys „Wandern mit dir“, ein Lied, in dem – apropos künstliche Natürlichkeit – eine volksliedartige Melodielinie über aparten Harmonien schwebt; das gibt es so auf keiner Alm, weiß Gott, und klingt doch wie ein gerade innigst improvisiertes Liebeslied.
Zur politischen Korrektheit trägt vielleicht doch noch bei, dass man eine Komponistin entdecken kann: Von der Ernest-Bloch-Schülerin Marguerite Roesgen-Champion finden sich zwei französischsprachige Stücke; fürs Italienische sorgen Rossini und – zuletzt noch einmal – Schubert.