Anna Milder-Hauptmann
1785 - 1838
In Konstantinopel geboren, kam Pauline Anna Milder als Dienstmädchen nach Wien. Durch Zufall wurde Hofkapellmeister Salieri auf die Stimme des Mädchens aufmerksam und sorgte für ihre Ausbildung. 1803 feierte sie ihr Debütierte in der Rolle der Giunone in Franz Xaver Süßmayers Spiegel von Arkadien. Das Publikum liebte die Künstlerin sogleich, weil sie eine für die damalige Zeit ungewöhnliche schauspielerische Begabung zeigte. Ihr Sopran war von enormer Fülle und Kraft.»Sie haben eine Stimme wie ein Haus«, soll der alte Haydn zu ihr gesagt haben. Beethoven schrieb die Titelpartie seines Fidelio für diese Stimme - Milder, mit dem Hofjuwelier Hauptmann (bald unglücklich) verheiratet - , sang die Leonore bei der Uraufführung, 1805 und dann auch noch 1814 bei der Premiere der Letztfassung der Oper im Kärntnertortheater - obwohl da eine andere Interpretin vorgesehen war. Im letzten Moment ersetzte man sie durch Milder-Hauptmann. Beethoven war von der Künstlerin restlos begeistert und lobte sie noch Jahre nach den Fidelio-Premieren. Die meistbescnäftigten Meister jener Jahre schrieben für sie, von Weigl sang sie in den Uraufführungen von Das Waisenhaus und Die Schweizerfamilie, von Cherubini Fanisca. Die Estrella in Schuberts Alfonso und Estrella lehnte sie hingegen als »zu lyrisch« ab.
Napoleon scheiterte
Napoleon, der nach der zweiten Eroberung Wiens von Mai bis Oktober 1809 in Schloss Schönbrunn residierte, war von Milder-Hauptmann so begeistert, daß er sie für eine horrende Gage und zu verlockenden künstlerischen Bedingungen nach Paris engagieren wollte. Er hörte die Sängerin Lilla in Martin Y Solers Una cosa rara und kommentierte:Seit langem habe ich nicht eine solche Stimme gehört.
Ihre wichtigste Bühne war nach ihrem Weggang aus Wien (1816) das Hoftheater in Berlin, wo sie sich nach vielen Triumphen mit Hofkapellmeister Spontini zerkrachte und ihren Kontrakt löste.
Stilbildend war Milder-Hauptmann in Wien und Berlin durch ihren Einsatz für die Hauptpartien in den Opern Glucks, die sie vor dem Vergessenwerden bewahrte.
Auch das Berliner Publikum lag der Sängerin zu Füßen. DerKunsthistoriker Gustav Parthey beschrieb die Wirkung ihrer Auftritte in seinen Memoiren anschaulich:
... dazu ... eine volle kaiserliche Figur vom schönsten Ebenmaße, und eine natürliche Großartigkeit der Bewegungen, wie man sie nur bei den antiken Statuen findet. Weil aber nichts auf Erden vollkommen sein kann, so fehlte dieser schönen Stimme die Biegsamkeit; das Organ war wie ein Orgel- oder Glockenton zu mächtig, als daß es in leichten Kolo-raturen oder in waghalsigen Kadenzen sich versuchenkonnte. Dieser Mangel kam aber bei den Gluckschen Opern gar nicht in Betracht; die Darstellungen der Iphigenie, Armide und Alceste gehörten zu den vollkommensten, die jemals auf der Bühne gesehn wurden. Wenn sieim Anfang der Iphigenie während des Unwetters ausdem Tempel mit majestätischem Schritte hervortrat, und die ersten hellen Töne in den Sturm der Elemente hinausschickte, so war es, als ob der Geist Gottes über dem Wasser schwebe. Als Armide glänzte sie besonders in der uvergleichlichen Scene, wo die Furie des Hasses vergbens versucht, Armidens Herz zu erkälten, und wo zuletzt die nachweinenden Bratschen den tiefsten Schmerz einer verwundeten Seele ausklagen.Für die Entwicklung des Gesangsstils in deutschsprachigen Landen war ihre zu dramatischer Entfaltung befähigte Stimme ein entscheidender Faktor.
Ihre letzten Vorstellungen absolvierte sie 1836 wieder in Wien, wo Schubert trotz ihrer Ablehnung seiner für sie bestimmten Opernpartie weiterhin Werke für sie schuf - und zwar einige seiner größten Vokalkompositionen, darunter Suleika II (1825) und vor allem Der Hirt auf dem Felsen mit obligatem Klarinettensolo.
Goethe war von Milder-Hauptmanns Interpretation der großen Gluck-Heroinen so beeindruckt, daß er 1826 ihr seine Iphigenie mit einem eigenen Widmungsgedicht übersandte.