Franz Grundheber, in Trier geboren und aufgewachsen, war zunächst Offizieranwärter der deutschen Luftwaffe, ehe er sein Gesangstudium in Hamburg vorantrieb und dann in den USA (unter anderem bei Margaret Harshaw) abschloß. Die Hamburgische Staatsoper wurde seine künstlerische Heimat. Der Baßbariton mit der bombensicheren Höhe debütierte dort 1966 als einer der »flandrischen Deputierten« in Verdis Don Carlos.
Das dramatische Potential seiner Stimme wurde bald entdeckt. Partien, die er besonders liebte, umspannten eine reiche Palette von Ausdrucksmöglichkeiten von Verdis Rigoletto, Macbeth und Simon Boccanegra über den Scarpia in Puccinis Tosca und den Jochanaan in Richard Strauss' Salome bis zu dessen Barak (Die Frau ohne Schatten). Triumphe feierte Grundheber auch in Partien der musikalischen Moderne, allen voran als Alban Bergs Wozzeck und Doktor Schön (Lulu - eine Oper, in der er zuletzt auch den Schigolch sang) sowie als Moses in Schönbergs Moses und Aron.
Grundhebers bewegende Gestaltung des Wozzeck ist mehrfach dokumentiert worden - am überzeugendsten in der auch szenisch atemberaubenden Berliner Produktion von Patrice Chéreau unter Daniel Barenboims Leitung mit Waltraud Meier als Marie.
Viel bewundert wurde Grundhebers enorme Vokalleistung in er Einstudierung von Strauss' Die Liebe der Danae, bei den Salzburger Festspielen unter Fabio Luisi, wo er den Jupiter in der Originaltonlage sang - Teile der Partie waren bereits anläßlich der Uraufführung einen Halbton heruntertransponiert worden.
Ich spüre die Spannungen in den musikalischen Intervallen
Franz Grundheber vor der Premiere von Bergs Lulu an der Wiener Staatsoper.
In der Wiener Staatsoperntradition wird Franz Grundheber vom Doktor Schön zum Schigolch und erzählt im Gespräch von seiner Eroberung der musikalischen Moderne und mythologischer Opernfiguren.
Alban Bergs Lulu in der Inszenierung von Willy Decker erlebte ihre Wiener Premiere in der zweiaktigen Version. Nun studiert Decker die von Friedrich Cerha vervollständigte dreiaktige Version ein. Sie waren damals Doktor Schön und sind nun der Schigolch; eine geradezu mythologische Figur.
Franz Grundheber: Genau deshalb hab' ich ihn singen wollen. Schon damals dachte ich: Was für eine Partie! Seither war ich Schigolch in Barcelona, in Madrid, in New York und in Paris - dort sogar in dieser Decker-Inszenierung!
Was fasziniert Sie so an dieser Figur?
Franz Grundheber: Er sagt viele Sätze, die einem lang im Gedächtnis bleiben. Und er rührt in dieser Frau etwas auf, indem er sie Lulu nennt. Sie entgegnet: "Ich heiße seit Menschengedenken nicht mehr Lulu". Sie erinnern sich an gemeinsame Zeiten und sie meint dann: "Jetzt bin ich ja nur noch ein Tier".
Das sind die Augenblicke, wo Alban Berg die Musik stillstehen lässt und wo gesprochen wird. Die Partitur ist ja ein Zwölfton-Werk - und doch gilt diese Musik als gut singbar, wenn auch höchst komplex. Wie erarbeiten Sie sich solche Partien in einem harmonischen Raum, der vielfach frei von Dur- oder Moll-Assoziationen ist?
Franz Grundheber: Ich habe ja kein absolutes Gehör. Aber ich habe ein Gefühl für die Spannungen von Intervallen. Bei Komponisten, die Texte so sensibel vertonen wie Alban Berg, findet man immer heraus, warum welches Wort wie in Musik gesetzt ist. Die Komponisten drücken mit den Intervallen etwas aus - und das kommt immer von der Sprache her. Auch bei einem Werk wie "Wozzeck", der ja keine Zwölftonkomposition ist, aber, wie es so schön heißt, "atonal", findet man auf diese Weise sofort den Einstieg. Der "Wozzeck" ist für mich überhaupt die perfekte Oper.
Und wohl auch Ihre meistgesungene Partie?
Franz Grundheber: Es waren jedenfalls 13 verschiedene Produktionen, in denen ich den Wozzeck gesungen habe. Aber ich führe über meine Auftritte nicht Buch. Es waren ja allein in Hamburg über 2200 Abende, in denen ich auf der Bühne gestanden bin.
Dabei waren Sie ursprünglich Offizier bei der Luftwaffe.
Franz Grundheber: Ja, das war, um mein Studium zu finanzieren. Ich bin aber nie geflogen. Dazu hätte ich mich nämlich sechs Jahre verpflichten müssen. Da bin ich dann lieber ausgeschieden.
Und waren auch mit dem Studium schon weit genug? Wie sind Sie denn Sänger geworden?
Franz Grundheber: Das ging über das Theater, die Literatur. Wir hatten einen hervorragenden Deutschlehrer. Wir hatten zwar noch prügelnde Lehrer. Aber der Deutschlehrer hat uns wirklich zur Literatur verführt. Und ich nahm einen Job in der Bücherei an, damit ich mir so viele Bücher wie möglich ausleihen konnte. Theaterstücke haben mich fasziniert. Und dann bekam ich eine Karte für die "Zauberflöte" geschenkt - und dachte im ersten Moment: O Gott, warum machen denn die da Musik, da versteht man ja gar nichts vom Text, der ist doch das Wichtigste. Bis Sarastro erschien. Als der dann zu orgeln begann, war's um mich geschehen.
Da wollten Sie Sänger werden?
Franz Grundheber: Jedenfalls hat es mich ungeheuer fasziniert, was man mit einer Stimme machen kann. Ich hatte bis dahin nur ganz zaghaft im Chor gesungen und dröhnte dann daheim "O Isis und Osiris", bis mein Vater an die Wand klopfte und meinte: "Schluss, ich muss morgen früh um fünf aufstehen!"
Die Opernmanie haben Sie dann kultiviert?
Franz Grundheber: Ja, in München, wo ich auf der Offiziersschule war. Da ging ich jeden Abend in die Oper. Mit der Abfindung, die ich beim Ausscheiden aus dem Militärdienst bekam, habe ich dann meine Gesangstunden finanziert. Der Lehrer dachte, er hätte den neuen Heldentenor entdeckt; nach drei Wochen war ich heiser.
...und haben dann als Bassbariton Karriere gemacht. Ihre Höhe ist freilich legendär. In Salzburg haben Sie vor gar nicht so langer Zeit den Jupiter in der "Liebe der Danae", der seit der Uraufführung allen Baritonen zu hoch lag, untransponiert gesungen.
Franz Grundheber: Na ja, es ist ja für einen Bariton sehr beruhigend, wenn er weiß, dass die Höhe sitzt, dass er Luft nach oben hat. Das hohe B erreiche ich nach wie vor mühelos. Das schadet ja nicht...