Die Fassbaender als Opernchefin

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Bestens präpariert, ein Haus zu führen

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Die Presse, 8. Oktober 1996

Brigitte Fassbaender im Gespräch vor Übernahme der Direktion des Innsbrucker Landestheaters.

Vor gar nicht allzu langer Zeit überraschte die Opernwelt eine Ankündigung: Brigitte Fassbaender ziehe sich aus den internationalen Opernhäusern zurück. Als Sängerin. Seit zwei Jahren führt sie als Direktorin das Opernhaus von Braunschweig. Und vor allem: Sie ist längst zur gesuchten Regisseuse avanciert. Und das vertrug sich nach einiger Zeit nicht mehr mit dem Singen. "Wenn man inszeniert", erzählt die Künstlerin, "dann ist man doch immer wochenlang herausgerissen und muß sich dann wieder umstellen. Der dauernde Wechsel der Fronten war mir zuviel. Außerdem bin ich gern für das Gelingen eines ganzen Abends verantwortlich."

Eine große Sängerin hat sich offenbar bereits völlig auf ihre neue Rolle eingestellt. Brigitte Fassbaender ist auf die Seite der "Betreuer" gewechselt. "Ich bin ja in dem Bewußtsein von der Bühne abgetreten, daß ich noch alles singen kann. Das war's, was ich immer wollte. Nicht erst aufhören, wenn verschiedene Dinge nicht mehr gehen. Ich könnte heute ohne weiteres auftreten und alle meine großen Rollen wieder singen. Das ist ein schönes Gefühl. Das Singen geht mir nicht ab." - Stattdessen hat die Künstlerin Gefallen daran gefunden, jungen Kollegen und Kolleginnen bei den ersten Bühnenschritten behilflich zu sein.

In Braunschweig war sie nicht nur in dieser Hinsicht hilfreich: "Dort hat man mich sozusagen als Krisenmanager geholt. Die hatten durch eine unglückliche Spielplanpolitik so gut wie alle Abonnenten verloren. Die Hausauslastung lag nur noch bei 59 Prozent."

Plädoyer für Repertoire

Unter Brigitte Fassbaenders Führung ist das Opernhaus von Braunschweig zumindest wieder zu drei Vierteln gefüllt, für Deutschland ein guter Schnitt. Gelungen ist das durch neue Ensemblepflege und einen klug gemischten Spielplan. Der Versuch des Vorgänger-Direktors, auf ein reines Stagionesystem mit Gästen umzusteigen, verlief desaströs. Die Zukunft liegt, so ist Fassbaender überzeugt, auch in kleineren deutschen Häusern im Repertoirebetrieb mit Ensemblesängern. "Es sind auch viele junge Künstler bereit, sich längerfristig zu binden und in Ruhe ihr Repertoire aufzubauen. Auch das Publikum bekommt dadurch die Chance, sich mit seinem Haus zu identifizieren. Es zeigt sich ja, daß das Ansehen der städtischen Bühnen überall recht hoch ist. Nur nützt das nichts, wenn keiner hineingeht."

Also spielt Braunschweig wieder 120 mal pro Jahr. Fassbaender: "Ein Opernhaus, das dreimal pro Woche schließt, ist tot. Ein Theater muß spielen!" Wobei die finanzielle Situation - nicht nur in Deutschland - diesen Spielbetrieb immer komplizierter macht: "Es ist so, daß 90 Prozent des Budgets durch die Tarifverträge gebunden sind. Nur 10 Prozent bleiben uns für die Kunst. Aber das muß man den Beamten, die über diese Dinge entscheiden, erst einmal klarmachen. Die meisten haben erfahrungsgemäß keine Ahnung, wie ein Theater überhaupt funktioniert. Das ist unser Problem. Der Geldhahn ist zu. Unter den gegebenen Umständen vollbringen wir in Wahrheit Wunder."

Im Sommer 1997 läuft Brigitte Fassbaenders Vertrag in Braunschweig aus. Was dann folgt: "Ich habe keine Ahnung, aber ich hoffe, daß noch etwas Schönes für mich bereitgehalten wird. Ich fühle mich jetzt wohlpräpariert, auch ein größeres Haus zu übernehmen. Obwohl meine Ansicht darüber von Woche zu Woche wechselt: Manchmal frage ich mich auch, warum ich mir das eigentlich antue."

Im Moment inszeniert Brigitte Fassbaender eine amerikanische Oper, "Susannah" von Carlisle Floyd, die in der Wiener Kammeroper am 14. Oktober ihre österreichische Erstaufführung erlebt, und man hat das Gefühl, daß sie in ihrer neuen Rolle ganz und gar aufgeht. Nur hin und wieder, das gibt sie zu, "wenn ich ein Schubertlied höre, oder Rosenkavalier, dann fühle ich wie das Herz im äußersten Winkel so in die Magengrube hinunterschlägt." Allein: "Es ist doch besser, in einem Moment aufzuhören, wo alle sagen: Schade, daß sie nicht mehr auftritt, als wenn die Leute fragen: Was, die singt das immer noch?"

↑DA CAPO