Juliane BANSE

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Abschied von den kleinen Mädeln

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Die Presse, 2007

Über ihre Opernleidenschaft, Babypausen, geschützte Werkstätten und eine Haydn-Premiere unter Nikolaus Harnoncourt.

Meist gibt es bei der Arbeit an solchen Produktionen irgendwo einen Wermutstropfen. Diesmal nicht", Juliane Banse gerät ins Schwärmen, wenn sie über die Probenarbeit an Haydns "Orlando Paladino" berichtet. Die Premiere von Keith Warners Inszenierung findet am Samstag im Theater an der Wien statt.
Nikolaus Harnoncourt dirigiert, "seine Energie ist ungebrochen", sagt Juliane Banse, "er tigert sich in gewohnter Manier rein. Und die Inszenierung ist richtig gut, genau richtig für so eine Oper, mit ein bisschen Augenzwinkern, nicht eins zu eins barock, heutig und trotzdem nicht gegen das Stück."

Haydns Musik, sagt Banse, "enthält schon so viel Fantasie und Humor, man muss das eigentlich nur umsetzen. Ich habe noch nie mit Keith Warner gearbeitet, auch noch keine seiner Inszenierungen gesehen und bin begeistert. Die Atmosphäre ist nett, es gab noch keine knallenden Türen, alles läuft sehr harmonisch ab." Das sei nicht immer so, sagt Juliane Banse, "meist gibt es einen Punkt, an dem sich alle nur noch anschreien. Das blieb aber diesmal völlig aus. Es herrschen allerdings auch luxuriöse Probenbedingungen."

Anders als viele Opernhäuser verfügt das Theater an der Wien über eine Probenbühne, auf der bereits im Originalbühnenbild probiert werden kann, "inklusive Drehscheibe", sagt Banse. Das sei auch nötig: "Denn die Inszenierung ist technisch sehr aufwendig und sehr ausgeklügelt. Auch für die Techniker kommt es auf die Sekunde an."

Ungewöhnlich an der Arbeit am "Orlando Paladino" ist auch, dass es sich beim Concentus musicus, wie Juliane Banse formuliert, "nicht um ein normales Orchester handelt, wenn ich das so sagen darf. Die machen alle möglichen Späße mit, sie schauen auch nicht auf die Uhr, wenn eine Probe einmal länger dauert, und es darf ihnen auch einmal ein Scheinwerfer in die Augen leuchten. Man hat das Gefühl, die Musiker haben den gleichen Spaß an der Sache wie wir."

Die Freude am Theaterspielen war Juliane Banse offenkundig angeboren. "Mein Vater", sagt sie, "war Sänger im Opernchor von Zürich. Aber das war für meine Opernkarriere nicht unbedingt förderlich. Er hatte panische Angst, dass aus mir ein typisches Theaterkind werden könnte, und hat die Dinge eher von mir ferngehalten."

Tanz, Theater, zuletzt Gesang

Doch dann kam das Ballett. "Ich war", erzählt die Sängerin, "zuerst in der Ballettschule. Das habe ich geliebt. Wir mussten alle Produktionen mitstudieren und aushelfen, wenn einmal ein Tänzer verletzt war. Da das die Zeit von Uwe Scholz in Zürich war, dessen Choreographien berüchtigt schwer waren, gab es viele Verletzungen. Ich habe es genossen, viele Produktionen auf der Bühne zu erleben."

Es war also gar nicht unbedingt das Singen, das die Künstlerin am Theater fesselte: "Es war vor allem das Theater selbst", meint sie, "obwohl ich dann schnell in die Oper reingerutscht bin, nachdem ich noch während des Studiums, mit zwanzig, in Harry Kupfers ,Zauberflöten'-Inszenierung die Pamina gesungen habe. Irgendwie hab ich die Oper schon im Blut", räsoniert sie und freut sich, demnächst wieder mehr Oper zu singen.
"Bevor die Kinder auf die Welt kamen", sagt sie, "habe ich Oper und Konzertsaal etwa 50 zu 50 aufgeteilt. Danach war es eine Zeit lang ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Baby kann man zur Not ja noch mitnehmen zu einem Gastspiel. Dann aber ist es unmöglich, sechs bis acht Wochen von zu Hause weg zu sein."

Die neue Juliane Banse

Wobei die Musikfreunde mit der Zeit eine gewandelte Juliane Banse kennenlernen werden: "Langsam nehme ich von den kleinen Mädeln Abschied. Jetzt kommen ein bisschen erwachsenere Mädeln." Also die Gräfin statt der Susanna im "Figaro", die Eva in den "Meistersingern" - vieles wird in Innsbruck ausprobiert unter den Augen der gestrengen Lehrerin und Intendantin Brigitte Fassbaender: "Ich habe dort unlängst meine erste Fiordiligi (,Cosi fan tutte') ausprobiert.
Demnächst kommt die Tatjana in Tschaikowskys ,Eugen Onegin' dran, da wird Brigitte Fassbaender selbst inszenieren. So bin ich behütet und gleichzeitig streng kontrolliert."

Die Juliane Banse der nahen Zukunft könnte also eine neue Melisande, eine Micaela ("Carmen") oder Arabella werden, "vielleicht eine Agathe (,Freischütz')", sagt sie, "und die Marie in der ,Verkauften Braut' wär' supertoll. Die Eurilla im ,Orlando Paladino' ist ja eher ein Ausflug zurück. Solche Rollen hab ich vor zehn Jahren gesungen. Aber Nikolaus Harnonocurt kann man schließlich nichts abschlagen.
Die Rolle ist eine Art Mischung aus Zerlina und Despina. Ein bisschen passt sie, lebensklug, auf, dass den anderen nicht zu viel zustößt. Gleichzeitig ist sie total lebens- und auch männerhungrig, nimmt jede Gelegenheit wahr, das Leben selber auszuprobieren.

↑DA CAPO