Marian Anderson

1897 - 1993

Die erste Schwarze auf der Met-Bühne

Als ihr Engagement bekannt gegeben wurde, gehörte der Aufsichtsrat der Metropolitan Opera nicht zu den vielen Institutionen, die mir gratulierten.

Also sprach Sir Rudolf Bing, der General Manager der New Yorker Met. Er war stolz darauf, der ersten Schwarze den Weg auf die Bühne von Amerikas wichtigstem Opernhaus geebnet zu haben.

Es dauerte lang, bis er den Kampf, den er dazu führen mußte, gewann. Für Marian Anderson kam dieser Auftritt als Ulrica in Verdis Maskenball eigentlich zu spät in ihrer Karriere - freilich bedeutete er einen entscheidenden Durchbruch: Die Karrieren von Leontyne Price, Grace Bumbry und etlichen anderen waren nun überhaupt erst möglich. Wer auf der Bühne der Met gestanden war, galt international als arriviert.

Anderson, die aus dem schwarzen Viertel von Philadelphia stammte, hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg bei den Salzburger Festspielen gastiert, hatte in London gesungen und etliche Liederabende in Skandinavien gebeben, wo sie Jean Sibelius kennenlernte, der sie enorem schätzte und dessen Lieder sie fortan immer wieder sang.

Doch in den USA, wo sie nur mit Mühe ein Studium absolvieren durfte, ließ man sie zunächst nicht auftreten. Erst Rudolf Bing sorgte dafür, daß das Eis gebrochen wurde. Zuvor war Anderson vor allem auf Konzertpodien gestanden. Aufnahmen dokumentieren vor allem ihre hinreißenden Lied-Gestaltungen und, versteht sich, die Spirituals, mit denen sie ihr Publikum stets überwältigte.

Auf dem Label »Beulah« existiert eine Sammlung von Solo-Aufnahmen, die unter anderem den Vier ernsten Gesängen von Johannes Brahms (mit einem ungenannten Pianisten) und der Erbarme Dich-Arie aus Bachs Matthäuspassion gewidmet ist, Dokumenten ausdrucksgeladenen Singens, das über offenkundige Sprachbarrieren hinweg pure Emotion vermitteln kann. Wie schön die Stimmen klingen konnte, beweist auf dieser CD (trotz aufnahmetechnischer Mängel und sprachlicher Unverständlichkeit) die Einspielung von Brahms' Alt-Rhapsodie unter der Leitung von Pierre Monteux aus San Francisco. (Sie ist in anderen Koppelungen auch auf RCA oder greifbar

Das Label Nimbus versammelt auf einer (mittlerweile nur noch bei Streamingdiensten abrufbaren) CD Lied-Aufnahmen aus den Jahren 1936 bis 1947 - darunter einiges von Sibelius.

Die Opernkarriere Marian Andersons war vergleichsweise kurz, dank des sagenumwobenenen Met-Debüts aber spektakulär - und geschichtsträchtig.




DA CAPO