Anton Dermota

1910-1989

Anton Dermota, aus dem slowenischen Kropp (Kropa) gebürtig, studierte nach einer Ausbildung in Musiktheorie und Orgelspiel in der legendären Klasse von Elisabeth Rado in Wien. Sein Operndebüt absolvierte er im rumänischen Klausenburg, von wo ihn Bruno Walter ins Ensemble der Wiener Staatsoper holte, dem er bis in die Siebzigerjahre angehören sollte!

Von seinem ersten Auftritt als Geharnischter in der Zauberflöte im Mai 1936 bis zu seinem Abschied - vor dem er 70-jährig (!) noch einmal den Tamino sang, absolvierte er in »seinem« Haus weit mehr als 1000 Vorstellungen, darunter so bedeutende wie den Fidelio zur Wiedereröffnung des Gebäudes an der Ringstraße im Herbst 1955.

In Wien und bei den Salzburger Festspielen war Dermota schon vor dem Zweiten Weltkrieg die erste Wahl für Mozarts Tenor-Partien. Den Tamino hat er in Wien 169 Mal, den Don Ottavio (Don Giovanni) 114 Mal und den Belmonte (Entführung aus dem Serail) 149 an der Staatsoper gesungen. Er galt aber in der Zeit der deutschsprachigen Aufführungen italienischer und französischer Werke auch als Spezialist für das lyrische Repertoire von Donizettis Nemorino (Liebestrank) bis Massenets Des Grieux (Manon).

Aufnahmen

Entsprechend gut dokumentiert ist Dermotas Kunst, die Stimme sauber und sicher durch alle Register zu führen, mit allen manierierten Behauchungen, die charakteristisch waren für ihn. Die Souveränität und Unverwüstlichkeit des Tenors wurde von den führenden Dirigenten jener Ära geschätzt. Salzburger Festspiel-Mitschnitte lassen Dermota in seinen Glanzrollen gleich mehrfach hören. Den Ottavio sang er unter Wilhelm Furtwängler (1950, 1953 und 1954) wie unter Karl Böhm (unter anderem anläßlich der Serie von Premieren zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper, 1955), aber auch unter Josef Krips an der Seite von Cesare Siepi im Studio (1955). In der Zauberflöte war er 1937 unter Toscanini in Salzburg der Erste Geharnischte (mit Helge Rosvaenge als Tamino), 1951 unter Furtwängler dann Tamino. Im Jahr davor war eine Studioaufnahme unter Herbert von Karajan in Wien entstanden, die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufgelegt wurde. Sie läßt Dermota nicht makellos, aber mit dem für ihn typischen vokalen Engagement hören.

Den Belmonte (Die Entführung aus dem Serail) hat Dermota an der Seite Elisabeth Schwarzkopfs bereits 1945 unter Rudolf Moralt für eine Wiener Rundfunkproduktion gesungen. Dem folgte weitere Rundfunk-Produktionen des Werks unter Fricsay in Berlin (1949) und Böhm in Frankfurt (1956 mit Erika Köth).

In der ebenfalls in Wien entstandenen ersten Gesamtaufnahme von Wagners Meistersingern von Nürnberg unter Hans Knappertsbusch ist Dermota der David und gibt in seinem Töne-Monolog im ersten Aufzug ein Lehrstück an beherrschter Verschmelzung von Wort und Musik. Technisch außergewöhnlich auch die wirklich pianissimo gesungene »Traumerzählung« des Des Grieux aus Massenets Manon.

Die erste große Partie, mit der Dermota in Wien noch in den Dreißigerjahren Furore machte war der Lenski in Tschaikowskys Eugen Onegin unter Bruno Walter an der Seite von Jarmila Novotnas Tatjana mit Alexander Svéd in der Titelpartie (natürlich auf Deutsch gesungen, wie auch noch die Neuproduktion von 1961 unter Lovro von Matacic mit Sena Jurinac und Dietrich Fischer-Dieskau, in der Dermota wieder der Lenski war und jene von 1973, in der er den Monsieur Triquet sang).

Die bedeutendste Partie in den späten Jahren des Künstlers war wohl die Titelrolle in Hans Pfitzners Palestrina, der er nach dem gestalterisch und musikalisch kaum erreichbaren Vorbildern Julius Patzak und (wenn auch allzu jugendlich) Fritz Wunderlich ganz eigenes, von großen inneren Qualen kündendes Profil zu verleihen wußte.

Eine Dokumentation der enormen Spannweite von Dermotas Repertoire bietet die Portrait-CD, die → bei Orfeo erschienen ist.

Immer wieder hat Anton Dermota auch im Konzertsaal Maßstäbe gesetzt, sei es als sicherer Stilist in Bachs Passionen - nicht zuletzt unter Furtwängler im Bach-Jahr 1950, als Johannes in Franz Schmidts Das Buch mit sieben Siegeln oder im Liedgesang, wo seine vorbildliche Deklamation besonders eindringliche Interpretationen ermöglichte, gestört für viele Hörer vielleicht nur durch seine gesangliche Manierismen, die hie und da von betulicher Wirkung sind.

Immerhin gab einer der bedeutendsten Komponisten des XX. Jahrhunderts dem Künstler den Ritterschlag: Richard Strauss ging mit dem jungen Dermota ins Schallplattenstudio, um einige seiner Lieder mit ihm als Klavierbegleiter aufzunehmen.

Ein letztes Mal ins Studio ging Anton Dermota vier Jahrzehnte später im Februar 1981 um auf ausdrücklichen Wunsch des Dirigenten den Hirten in Carlos Kleibers Aufnahme von Wagners Tristan und Isolde mit René Kolle und Margaret Price zu singen. Somit sind auf Tonträgern Aufnahmen dieses Künstlers aus viereinhalb Jahrzehnten festgehalten.

↑DA CAPO