Patricia PETIOBN

im Gespräch

Über inszenierte Liederabende und ihr Opernleben zwischen Klosterschwester und Femme fatale

„Das ist mein Stil“, sagt sie, als ob es das Natürlichste wäre, dass eine Sängerin während eines Liederabends auch eine kabarettistische Show abliefert, in der freche französische oder italienische Chansons das suggerieren, oder dass sie Inhalte von Liedern mittels kleiner Choreographien zu Bühnenleben erweckt. Patricia Petibon, Opernstar aus Frankreich, ist eine der prägnantesten Erscheinungen im internationalen Musikleben unserer Zeit.

„Es ist so schön, wenn das Publikum lacht“, kommentiert sie ihre kleinen Practical Jokes auf dem Konzertpodium. Einen derart „inszenierten“ Liederabend kann man, so erläutert die Sopranistin, „nicht daheim am Schreibtisch konstruieren. Man muss die Sachen ausprobieren, sehen, erleben, was gut ist, was nicht. In Frankreich habe ich auch schon einmal einen kurzen Film während eines Liederabends gezeigt“, erzählt sie lebhaft weiter, denn Konzerte sind Abenteuer für sie – und sollen es auch für das Publikum sein. Liedprogramme seien, so Petibon, in gewisser Hinsicht faszinierender als Opernpartien: „In der Oper ist es entweder amüsant, oder es ist tragisch. Wenn man eine Liederfolge bestimmt, dann kann man beides innerhalb kürzester Zeit haben. Ich mag ja den Kontrast, ich mag es auch, überrascht zu werden.“

Über die Wahrheit beim Singen

„Es ist allerdings nicht leicht, dabei die Balance zu finden. Denn natürlich geht es in Wahrheit ausschließlich um die Musik“, die sie auf ihre Art vermitteln möchte. „Die Stimme“, sagt sie, „ist bei einem Recital die Königin des Abends. Aber es scheint mir wenig interessant, brillante Koloraturen zu singen, damit die Leute sagen: O, wie schön! Ich muss doch beim Singen meine Wahrheit vermitteln – und die Wahrheit des Komponisten.“

Wie man Letztere aufspürt? „Mozart ist tot, ich kann ihn nicht mehr fragen. Ich habe zwar die Noten, aus denen ich viel herauslesen kann. Doch wichtig ist die Imagination, die Fantasie – und wichtig scheint mir auch, nicht zu versuchen, irgendein Sängervorbild zu imitieren, einen Klon auf die Bühne zu stellen. Das geht immer schief.“

In der Oper helfen dem Interpreten der Text, der Inhalt und Gehalt des Stücks, das es zu erzählen gilt. „Man muss sich in der Person finden, die man darzustellen hat“, sagt Petibon, „ohne zu vergessen, was gut für die Stimme ist.“ Mit bestimmten Dirigenten arbeitet sie deshalb besonders gern, weil die auf diese Gegensätze achten, und vor allem, „weil er alles hören möchte, auch die hässlichen Facetten eines Charakters“.

Wiener Trouvaillen – „Lulu“ in Genf

In Wien, wo man im vergangenen Dezember ihren höchst ungewöhnlichen Liederabend bestaunt hat, fühlt sie sich künstlerisch im Moment sehr zu Hause. Das Publikum hierzulande war von ihren Auftritten nicht nur in Konzerthaus und Musikverein – dort im Verein mit Nikolaus Harnoncourt und dessen Concentus musicus, und ganz ohne theatralische Zusätze – stets begeistert. An der Staatsoper war Patricia Petibon im Februar des Vorjahrs erstmals die Sophie in Strauss' „Rosenkavalier“, am Theater an der Wien, stürmisch gefeiert, die Giunia in Nikolaus Harnoncourts Produktion von Mozarts „Lucio Silla“.

Nun kehrt sie als Einspringerin zurück und übernimmt von einer erkrankten Kollegin in den ersten Vorstellungen der Neuinszenierung von Francis Poulencs „Gesprächen der Karmeliterinnen“ die Partie der Schwester Constance. „Die habe ich schon in verschiedenen Inszenierungen gesungen, etwa in der Produktion von Marthe Keller an der Pariser Bastille-Oper. „Die Constance“, sagt Petibon, „ist vielleicht die Lichtgestalt in diesem finsteren Stück, jedenfalls hat sie sich ihren Instinkt hinter den Klostermauern bewahrt. Sie will auch nicht sterben, aber sie gibt ihr Leben zuletzt hin für Gott und für ihre Nächsten. Wenn man so will, hat sie auch ein bisschen etwas Verrücktes in sich, während Blanche, die Zentralfigur, sich vor allem fürchtet und ihre eigene Mitte, sich selbst, erst im allerletzten Moment findet.“

Karmeliterin bis ans Lebensende

Diese Blanche, sagt Patricia Petibon, „wird bestimmt auch einmal zu meinen Rollen gehören. Später vielleicht auch eine der älteren Schwestern – ich möchte, dass mich dieses faszinierende Stück durch mein Leben begleitet.“ Besonders fesselnd für die Singschauspielerin Petibon ist an Poulencs Werk die Tatsache, dass sämtliche Darstellerinnen als Nonnen durchs Stück wandeln, also kaum die Chance haben, durch ihre Erscheinung zu wirken. Womit in der Kunst einer Sängerin, die sogar den Konzertsaal zur Bühne macht, sozusagen der Gegenpol erreicht wäre: „In den Karmeliterinnen ist man nichts durch seine Erscheinung“, sagt sie. Hier gilt's der Gesangskunst allein.

Demnächst kommen ganz andere Anforderungen auf die Künstlerin zu, mit ihrem Entdecker, William Christie, gibt es manches Abenteuer in ihrer geliebten Barockwelt zu bestehen, bei den Salzburger Festspielen 2009 singt Petibon die Despina in Mozarts „Così fan tutte“ – und für Genf studiert sie Alban Bergs „Lulu“.

Klosterschwestern sind im Repertoire der Patricia Petibon nach der Premiere im Theater an der Wien dann jenseits von Francis Poulenc jedenfalls kaum zu sehen.



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