Maria Yudina


Eine der feinsinnigsten Klassiker-Interpretinnen des XX. Jahrhunderts und eine mutige Frau dazu. Josef Stalin betrachtete die Pianistin offenbar als eine Art Unterhaltungskünstlerin für sich persönlich. Er liebte ihr Spiel und ließ von einer Mozart-Interpretation einmal über Nacht eine Schallplatte anfertigen. Yudinas Aufnahme von Mozarts A-Dur-Klavierkonzert, KV 488, lag auf dem Plattenteller, als man Stalins Leichnam entdeckte.

Gegenüber dem Diktator konnte sich diese Künstlerin erstaunliche Freiheiten herausnehmen, die freilich immer von ihrer Menschlichkeit und ihrer streng religiösen Gesinnung kündeten. Niemand sonst hätte diesem strengen Atheisten sagen dürfen:
Ich werde für Sie beten!
Yudina hat einige außerordentliche Interpretationen von Werken Mozarts und Beethovens hinterlassen, leistete sich in späten Jahren viele Freiheiten und technische Unvollkommenheiten, was sie stets mit Geschmack und Sensibilität auszugleichen wußte. Ihre Wiedergabe von Schuberts letzter, der B-Dur-Sonate (D 690) ist vergeistigt und ein Musterbeispiel für frei, quasi rhapsodisches Musizieren, für »taktstrichlos« strömende Melodik.

Studiert hatte Yudina in der Klasse Leonid Nikolaevs in Leningrad, wo Dmitri Schostakowitsch und Vladimir Sofronitsky ihre Kommilitonen waren.

Schostakowitschs Zweite Klaviersonate fand in ihr eine kongeniale Interpretin, ebenso hörenswerte Rarität wie Taneyevs Klavierquartett und Klavierquintett, wenn auch die erhaltenen Melodia-Mischnitte technisch in einem alles andere als erfreulichen Zustand überliefert sind.

↑DA CAPO